Zeitenwende Lehman-Pleite?

Die Lehren aus dem großen Schock

Vor knapp einem Jahr führte die Pleite der US-Bank Lehman Brothers fast zum Niedergang des Finanzsystems. Inzwischen laufen die Spekulationsgeschäfte wieder an, doch stellt sich die Frage, wie die Gefahr solcher Krisen in Zukunft eingedämmt werden kann.

Ewald Nowotny über Möglichkeiten der Regulierung

Der 15. September 2008 ist wahrscheinlich das markanteste Datum in der Wirtschaftskrise, die wir seit gut zwei Jahren erleben. An diesem Tag hat die US-Investmentbank Lehman Brothers Konkurs angemeldet. Das hat einen Schock ausgelöst, der das Finanzsystem beinahe hat einstürzen lassen. Verhindert wurde der Kollaps der Weltwirtschaft nur, weil Notenbanken und Regierungen schnell reagiert haben. Sie haben hunderte Milliarden Euro und Dollar in Umlauf gebracht, um den Geldkreislauf aufrecht zu erhalten. Danach haben viele Politiker, Banker und Ökonomen versprochen, sie würden Lehren aus diesem Debakel ziehen.

Viel war zu hören von einer Zeitenwende in der Wirtschaft, davon, dass das System der unkontrollierten Marktwirtschaft gescheitert sei und ein neues Wirtschaftssystem entstehen müsse. Aber was ist davon geblieben. Was hat die Welt, was haben wir aus der Lehman-Pleite gelernt?

Spekulation geht weiter

Die Geschäfte mit hochriskanten Anlageprodukten laufen bereits wieder, sagt UNO-Ökonom Heiner Flassbeck. Hilfspakete und Kapitalgarantien der Regierungen haben die Banken gestärkt, das Kapital werde nicht als Kredit weitergegeben, sondern für neue Spekulationen verwendet. Dazu kommt die Entscheidung, nach dem Schock der Lehman-Pleite keine weiteren großen, sogenannten systemrelevanten Institute untergehen zu lassen. Banken-Pleiten künftig um jeden Preis zu verhindern, wäre aber die falsche Lehre, meint Daniel Gros, Direktor des Zentrums für Europäische Politische Studien in Brüssel. Denn das würde bedeuten, dass große Banken auch große Risiken eingehen können.

EU-Bankenaufsicht geplant

Strengere Eigenkapitalregeln sollen dieses Risiko aber verringern. So müssen Banken für Kredite, die sie vergeben, künftig mehr eigenes Geld vorweisen als bisher. Darauf haben sich zumindest die Chefs der 27 weltweit führenden Zentralbanken geeinigt. In der EU wird eine zweistufige Bankenaufsicht vorbereitet. Einerseits sollen Risiken für das Bankensystem frühzeitig erkannt werden, andererseits soll eine europäische Finanzmarktaufsicht die Einzelrisiken für Banken, Versicherungen oder Börsen beobachten.

Doch schon jetzt gibt es Widerstand gegen mehr Aufsicht und mehr Regeln, räumt Notenbank-Chef Ewald Nowotny ein, er ist auch Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank EZB. Die EU muss die Richtlinien für eine gemeinsame Bankenaufsicht erst beschließen, die Interessen der Euro-Länder und der Nicht-Euro-Länder wie Großbritannien gehen oft weit auseinander, sagt Nowotny, der Entscheidungsprozess sei deshalb nicht einfach. Doch der Druck auf die Politik sei derzeit so groß, dass er von einer Einigung ausgeht, sagt der Notenbank-Gouverneur.

Bonuszahlungen begrenzen?

Hohe Managerprämien, sogenannte Bonuszahlungen, gelten als eine weitere Ursache der Krise, weil sie einige Manager dazu verleitet haben, unüberschaubare Risiken einzugehen. So haben US-Banken wie Goldman Sachs, Morgan Stanley und JP Morgan Chase auch in den schlimmsten Monaten der Finanzkrise Boni bezahlt, die zum Teil doppelt so hoch waren wie der Gewinn der Institute. Die Finanzminister der G20 haben sich darauf geeinigt, dass Bankmanager künftig nur für langfristige Erfolge Prämien erhalten sollen. Über eine Deckelung für Boni soll beim Weltfinanzgipfel in Pittsburgh Ende des Monats verhandelt werden.

Risiko und Krisen sind unvermeidlich

Risiko und Krisen wird es immer geben, sagt Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny, die Aufgabe von Aufsichtsbehörden sei es, Übertreibungen zu verhindern.

Für die Ökonomin Karin Küblböck, Mitbegründerin der globalisierungskritischen Organsiation Attac Österreich, wäre eine EU-weite Aufsicht der Finanzmärkte zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Bis jetzt sei aber noch zu wenig geschehen, sagt Küblböck und warnt davor, den Kopf in den Sand zu stecken, denn die nächste Krise kommt bestimmt.

Hör-Tipp
Saldo, Freitag 11.September 2009, 9:45 Uhr

Links
UNCTAD -UN Organisation für Welthandel und Entwicklung
CEPS - Zentrum für europäische politische Studien
Österreichische Nationalbank
Attac
Finanzministerium