Technik statt Vertrauen

GPS-Kinderüberwachung

150 bis 200 Kinder werden in Österreich jährlich als vermisst gemeldet. Aus den USA kommt derzeit ein Trend, der es vereinfachen soll, verschwundene Kinder und Jugendliche schnell zu finden: GPS-Kontrollsysteme für Kinder.

In Österreich werden im Jahr durchschnittlich 150 bis 200 Kinder als vermisst gemeldet. Der Großteil davon taucht innerhalb kürzester Zeit wieder auf. Meist handelt es sich hier um Ausreißer, die von zu Hause flüchten. In den USA ist derzeit ein neuer Trend im Gange, der es vereinfachen soll, verschwundene Kinder und Jugendliche schnell zu finden: GPS-Kontrollsysteme für Kinder.

Die Funktionsweise der Systeme ist einfach. Die Kinder bekommen einen GPS-Sender, wie er auch in jedem Navigationssystem steckt. Ein kleines Gerät, das in den Rucksack passt oder auch als Armband befestigt werden kann. So können die Eltern daheim am Monitor jederzeit nachschauen, wo sich ihr Kind befindet. Was praktisch klingt, kann aber auch in ständiger Überwachung enden.

Für Christian Vielhaber, Obmann des Österreichischen Kinderschutzbundes, ist diese Entwicklung sehr bedenklich: "Für mich ist das schon ein Weiterdenken des 'Big Brother is watching you' und wenn man das nicht kritisch reflektiert, hat das eine Konsequenz. Das heißt, ich übertrage diesem Chip Verantwortung."

Weder Prävention noch Abschreckung

Eltern haben auch die Möglichkeit, ein bestimmtes Territorium mit den Kindern zu vereinbaren. Verlassen die Kinder mit dem GPS-Sender das Gebiet, werden die Eltern sofort informiert. Im wirklichen Notfall kann das Kind einen Alarmknopf am Sender betätigen. Daraufhin werden den Eltern im Fünf-Minuten-Takt SMS oder E-Mails gesendet.

Die Geräte sind mittlerweile auch in Deutschland und Österreich verfügbar, aber noch nicht verbreitet. Im Notfall kann das System natürlich nützlich sein, trotzdem besteht die Gefahr, dass die Eltern ihre Kinder ständig überwachen. Der Chip, den das Kind mit sich trägt, ist für Christian Vielhaber weder eine Präventionsmaßnahme noch eine Abschreckung für Straftäter: "Es gibt genug Möglichkeiten, um Chips zu orten. Man kann ihn dann entfernen, wo immer er auch sein mag."

Interesse der Eltern

Die deutsche Initiative "Vermisste Kinder" hat auf ihrer Homepage eine Umfrage zu solchen GPS-Kontrollsystemen durchgeführt. Das Ergebnis ist doppeldeutig: 60 Prozent der Eltern haben Interesse bekundet, nur neun Prozent waren strikt gegen diese Art der Überwachung.

"Diese Ergebnisse erschrecken mich zutiefst, weil es offensichtlich so ist, dass es 60 Prozent der Eltern sich nicht selbst zutrauen, ein Beziehungssystem zu den Kindern aufzubauen, das auf solche technische Innovationen verzichten kann", sagt Vielhaber.

Während die Systeme in Europa noch nicht im großen Stil verbreitet sind, haben Amerikaner weitaus weniger Hemmungen, zu derart drastischen Überwachungsmaßnahmen zu greifen. Obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass das eigene Kind entführt wird, ausgesprochen gering ist, gehen die GPS-Ortungsgeräte dort über den Ladentisch wie warme Semmeln.

"Das Problem ist, dass die aktuellen Entführungsfälle sehr radikal und explosiv kolportiert werden, so dass das jetzt als Chance genommen wird, solche Innovationen an den Mann oder die Frau zu bringen", sagt Vielhaber.

Vertrauensbruch vorprogrammiert

Ein GPS-System zur Überwachung von Kindern bedeute nichts anders, als dass man seinem Kind nicht wirklich vertraue, erklärt Vielhuber weiter. Dieser Vertrauensbruch wirkt sich auch auf das Verhältnis zwischen Eltern und Kind aus und der Überwachte wird sich voraussichtlich dagegen wehren.

"Auch Handys funktionieren manchmal als Kontrollinstrumente und da ist es schon so, dass die Kinder die Handys ausschalten oder weglegen, dass sie sich also nicht kontrollieren lassen. Dasselbe würde auch beim Chip passieren. Da ist im Vorhinein schon ein Vertrauensbruch vorprogrammiert."

Alternativ zu den teuren Systemen aus den USA, die immerhin mehrere Hundert Euro kosten, gibt es auch Kinder-Handys ab ca. 90 Euro plus Übertragungskosten für die Ortung. Diese Handys erlauben es dem Kind, eingespeicherte Nummern im Notfall anzurufen oder auch die Paniktaste zu drücken. Dann werden alle eingespeicherten Nummern verständigt und das Kind kann über das Internet geortet werden.

Hör-Tipp
Digital.Leben, Montag bis Donnerstag, 16:55 Uhr

Links
Kinderhandyshop aus Deutschland mit Trackangeboten
Kinderschutzbund Österreich
Initiative Vermisste Kinder
Amber Alert GPS -Überwachungssystem aus den USA

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