Was in einer Kamera alles drinstecken kann
Von Hackern für Hobby-Fotografen
In vielen Alltagsgeräten versteckt sich ein leistungsstarker Computer. Oft könnten die Apparate nämlich viel mehr, als die einfachen Aufgaben zu erfüllen, für die sie gemacht sind. Hacker wecken die versteckten Kräfte, die in ihnen schlummern.
8. April 2017, 21:58
"Nach meiner Definition ist ein Hacker jemand, der versucht, das Optimum aus einem bestehenden System herauszuholen - sei es ein Programm, ein Modem oder eben eine Kamera", sagt Ernst Michalek. Der Grafiker, Programmierer und Webdesigner kann den Hackern dankbar sein für sein liebstes Arbeitsgerät: Eine Canon-Kompaktkamera mit der Zusatz-Software CHDK, dem "Canon Hacker’s Development Kit".
Unzählige Extrafunktionen
"Es beginnt mit einfachen Zusatzfunktionen wie einer Batterieanzeige in Prozent", sagt Michalek, "das hat Canon sonst nicht. Die Kamera zeigt nur an, wenn die Batterie schon kurz davor ist, sterben zu gehen."
Das ist aber längst nicht alles. CHDK bietet unzählige Extrafunktionen, vom Fernauslöser über ein spezielles USB-Kabel bis zu einem Bewegungsmelder, der so schnell ist, dass man bei Gewittern damit Blitze fotografieren kann – jedem Blitz geht nämlich eine Vorentladung voraus, und die Kamera ist in der Theorie schnell genug, das zu registrieren. Mit CHDK ist sie das auch in der Praxis.
Die Firma Canon selbst wollte zu dem Thema keine Stellungnahme abgeben. Offenbar schweigen sie lieber zum Erfindungsreichtum ihrer Kunden. Die Kompaktkameras heißen im Englischen "Point and Shoot", und mehr sollen sie auch nicht können - wenn es nach den Herstellern geht. Die vielen Zusatzfunktionen würden den Konsumenten nur überfordern. Und wer mehr Möglichkeiten will, soll auch tiefer in die Tasche greifen und sich ein Profigerät kaufen.
CHDK stellt dieses Bild auf den Kopf, und bringt deshalb auch neue Impulse für die Industrie: "Das Ganze bringt frischen Wind in die Entwicklung", sagt Michalek: "Viele Funktionen, die CHDK bietet, können in zukünftigen Kameras fix eingebaut werden."
Nicht nur für Hacker
Die Geschichte von CHDK beginnt im Jahr 2006. Der Programmierer Andrej Gratschew knackt die Betriebssoftware seiner Canon-Kompaktkamera und schreibt ein kleines Programm, mit dem es möglich wird, Fotos im Rohdatenformat abzuspeichern.
Er veröffentlicht sein Werk in einem russischen Forum, und schnell entwickelt sich aus der Spielerei mit den Canon-Kameras eine enthusiastische Internet-Gemeinde. Die Abkürzung "CHDK" stammt von Gratschew selbst, und in Wahrheit weiß niemand, wofür sie steht. Die Bedeutung "Canon Hacker’s Development Kit" kam erst später auf - jedenfalls war sie treffend genug, um sich durchzusetzen.
Trotzdem muss man noch lange keine Hacker sein, um CHDK zu benutzen. "Man muss praktisch nur wissen, wie man eine Datei entpackt und auf eine Speicherkarte gibt", sagt Ernst Michalek. Außerdem greift das Programm nicht in die bestehende Betriebssoftware ein und lässt sich ohne Rückstände entfernen. Das heißt, dass sogar die Garantie erhalten bleiben müsste. Jedoch: Von anonymen Hackern im Internet kann man viel bekommen - aber keine Gewähr.
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