Liebe in Zeiten der Telenovela

Wer liebt wen? Fortsetzung morgen!

Auch wenn es kaum jemand zugeben will: hat man zufällig ein paar Folgen der noch so platt anmutenden Serie gesehen, will man wissen, wie es weitergeht. Was macht diese Faszination aus? Es kann sich wohl nur um die Liebe und ihre Verstrickungen handeln.

Langweilige Figuren werden entsorgt

Wie wird Liebe medial dargestellt? Im soeben erschienenen Buch "Love me or leave me" über Liebeskonstrukte in der Populärkultur gingen mehrere Autoren und Autorinnen dieser Frage nach.

Die Herausgeberin Heide Hammer geht davon aus, dass die Liebe ein gesellschaftliches Konstrukt ist, das im Fernsehen sichtbar wird. Prägnant sei nach wie vor die Vorstellung einer romantischen Liebe. Diese Idee beruht auf dem Glauben, dass sich zwei Individuen freiwillig und aus Liebe für einander entscheiden.

Der lange Weg zum Happy End

Die Liebe zwischen zwei Menschen wird als Grundlage der Paarbeziehung angesehen. Die meisten gängigen Fernsehformate spiegeln gesellschaftliche Klischees der Liebe. Das gezeigte Ideal ist das heterosexuelle, monogame Paar. Zunehmend finden aber auch neue Sichtweisen in die Fernsehformate. Die amerikanische Serie namens The L-Word (L steht für lesbian, also lesbisch) wurde von einem Privatsender für das Hauptabendprogramm konzipiert. Im Mittelpunkt der Serie steht ein lesbisches Paar.

Die klassischen Formate, die Liebeskonstruktionen darstellen sind die Telenovela und die Seifenoper, oder Soap. In einer Soap ist lediglich der Handlungsort definiert, die Geschichte selbst wird fortlaufend weitergeschrieben. Im Unterschied zur Telenovela, die zwar ebenfalls zahlreiche Episoden hat, aber zu einem vorab definierten Ende hinsteuert: das liebende Paar kriegt sich und heiratet.

Eine Frau wird erst schön durch die Liebe

Dieses ursprünglich in Lateinamerika entwickelte Fernsehformat erinnert ein bisschen an ein Märchen. Vorlagen wie die kolumbianische Produktion "Betty La fea", die Geschichte eines hässlichen Mädchens, das in der oberflächlichen Welt der Mode arbeitet, und durch die Liebe am Ende wunderschön wird, sind weltweit kopiert worden.

Diedrich Diedrichsen, Professor an der Akademie der Angewandten Kunst in Wien, hat bei seinen Untersuchungen deutschsprachiger Fernsehserien eine besondere Abwandlung der klassischen Strukturen entdeckt. Soap und Telenovela wurden gewissermaßen übereinander gelegt.

Es gibt wie in der Telenovela ein Hauptpaar, um das sich die Handlung dreht, allerdings geht die Geschichte auch weiter, nachdem die beiden zusammen gekommen sind. Der Verlauf der Handlung wird auch durch wirtschaftliche Berechnung beeinflusst. In Foren diskutieren die Zuseher die Geschichte. Die Figuren und ihre Geschichten werden je nach Erfolg beim Publikum ausgeweitet oder verkürzt.

Glück ist langweilig

Sobald das Hauptpaar zusammengekommen ist, wird es ersetzt durch ein neues. Der Ort und die anderen Figuren bleiben bestehen, die Soap geht weiter. Die Geschichte des Liebespaars endet meist damit, dass die beiden irgendwo hin verschwinden und nicht mehr vorkommen. Sie ziehen in eine andere Stadt oder wandern aus.

Somit schließen sie sich völlig aus der Gesellschaft aus, sobald sie ihre Liebe gefunden haben. Diese Darstellung einer Art Auslöschung des Hauptpaares durch die erfüllte Liebe ginge von einem Publikum aus, das eine solche Darstellung toleriert, so Diedrichsen. Es zeige sich dadurch, wie Liebesbeziehungen in unserer Gesellschaft wahrgenommen werden. Austauschbarkeit und Beliebigkeit sind normal. Das Glück des Liebespaares scheint die wenigsten zu interessieren, so Diedrichsen.

Hör-Tipp
Moment, Mittwoch, 28. Oktober 2009, 17:09 Uhr