Thailand und seine drei Geschlechter

Mann, Frau, Ladyboy

Das mythologische Zwitterwesen Hermaphrodit ist in der thailändischen Gesellschaft heute noch präsent. Man nennt sie Katoy. Sie selbst nennen sich Ladyboys. In den "Hörbildern" erzählen Aod und Barbie aus ihrem Leben zwischen Isolation und Exaltiertheit.

Barbie ist Mitte 20. Sie kam als Bub zur Welt. Mittlerweile ist sie Showgirl im "Queen Cabaret" auf der thailändischen Insel Ko Tao. Chefin dort ist Aod, Mitte 30. Sie hat sich, zum Unterschied von Barbie, einer chirurgischen Geschlechtsumwandlung unterzogen.

Da war sie 18. Schon als Kind mochte sie mit traditionell männlichen Betätigungen nichts anzufangen. Kein Fußball mit den Buben, lieber Kleider als Hosen, Lippenstift statt Spielzeugauto, Singsang statt Gebrüll.

Der Singsang hat sich erhalten. Wenn Aod heute ihre Cabaret-Show moderiert, überschlägt sich die immer noch männliche Stimme. Sie müht sich hörbar, nicht nur ihre Figur weiblich erscheinen zu lassen. Den Kampf um ihre Identität ist sie gewöhnt.

Pech mit den Männern

Als sie in jungen Jahren ihre Großmutter um Geld "für die Operation" bat, wurde sie für verrückt erklärt und aus dem Haus geworfen. Darauf verkündete sie ihrer Mutter, ihr Heimatdorf zu verlassen und erst zurück zu kommen, wenn sie eine Lady wäre. Der Vater war immer dagegen. Die Mutter ließ sie ziehen. Da nahm sie schon ein paar Jahre Hormone, die ihr Brüste wachsen ließen.

Sie lernte Männer kennen. Der eine wollte nicht, dass sie sich operieren lässt. Sie sagte: "Ich kann so nicht leben. Wenn ich im Badezimmer vor dem Spiegel stehe, sehe ich meine Brüste, aber auch meinen Penis, das verletzt mich." Der Mann störte sich daran, dass sie immer so exaltiert war. Wenn sie traurig war, dann war sie zu traurig; wenn sie glücklich war, dann zu glücklich.

Der nächste Mann hieß Daniel. Er schien es ernst zu meinen und gab ihr Geld für die Operation. Aods Genitalien wurden von männlichen zu weiblichen umgestaltet. Dann hielt Daniel um ihre Hand an. Zwei Tage vor dem Hochzeitstermin - seine und ihre Verwandtschaft waren eingeflogen worden - fand sie ihn im Bett mit einem Ladyboy, der nicht operiert war.

Modedesign und Cabaret

Sie verließ Daniel und lernte Stefano kennen. Sie sind immer noch ein Paar. Doch die ersten Jahre waren turbulent wie Aods Leben insgesamt. Sie kam nach Italien, wurde Modedesignerin, so gut, dass man sie auszeichnete und im Fernsehen interviewte. Bis zum Burnout. Aod ging wieder nach Thailand.

Heute führt sie dort das "Queen Cabaret". Ihre Ladyboys - weiblich anmutende männliche Tänzerinnen - sind ihre Familie. Eine ihrer Töchter ist Barbie. Sie ließ sich im Gesicht operieren, denn sie hatte zu männliche Züge. Sie schluckt und spritzt Hormone, jetzt hat auch sie Brüste. Aber vor der Geschlechtsumwandlung hat sie Angst.

Gestraft von Schicksal und Gesellschaft

In Thailand pflegt man den Schöpfungsmythos, dass nicht zwei, sondern drei Geschlechter erschaffen wurden. Neben Frau und Mann gibt es die Katoy bzw. Ladyboys, die mit ihrer Zwitterrolle für ihr schlechtes Verhalten im vorherigen Leben bestraft würden.

Die Bestrafung setzt sich in der Gesellschaft fort. Buben dürfen in Thailand keine langen Haare tragen. Ladyboys bekommen, anders als Schwule, keine guten Jobs. So arbeiten sie traditionell in kleinen Familienbetrieben und durch den Tourismusboom der vergangenen Jahrzehnte auch im Rotlichtmilieu, in Schönheitssalons oder im Entertainmentgeschäft - vor allem in Cabaret-Shows. Dort werden sie, immerhin, mittlerweile von Einheimischen wie von Touristen geschätzt.