Der Untergang eines unsympathischen Mannes

Der Tod des Bunny Munro

Nick Cave wollte ein Monster erschaffen, und dass ist ihm mit Bunny Munro eindrucksvoll gelungen. Zu Beginn des Romans wirkt der Kosmetikverkäufer noch wie ein liebenswerter Taugenichts. Aber nach und nach zeigt sich das wahre Ich dieses Mannes.

Angefangen hat alles mit Penny Charade. Der 12jährige Bunny sieht sie am Beckenrand sitzen und schwimmt zu ihr hinüber. Und sie? Sie lächelt den Jungen an, beginnt mit ihm zu plaudern und ist von ihm fasziniert. Auch wenn Bunny Charade nie wieder sehen wird, so ist ihm von diesem Moment eines bewusst. Er kann die Frauen um den Finger wickeln. Er hat - davon ist er überzeugt - die Macht, die Gabe.

Und diese Macht setzt der erwachsene Bunny ein, ohne Rücksicht auf Verluste. Was immer gerade passiert, er denkt ausschließlich an Sex. Wie Gespenster verfolgen ihn die primären Sexualorgane weiblicher Stars. Avril Lavigne oder Kylie Minogue.

Das Leben eines Sexsüchtigen

Bunny ist Kosmetik Artikel Vertreter. Und er ist einer der besten. Es dauert keine zehn Minuten und er hat den Damen Gesichtswässerchen, Haut- oder Faltencremes verkauft. Und nach noch einmal zehn Minuten landet er mit den Kundinnen im Bett. Zumindest will er das seinen Freunden - und den Lesern - glauben machen.

Aber dann beginnt das Leben des sexsüchtigen Bunny mit einem Male aus dem Ruder zu laufen. Er kommt nachhause und seine Frau hat sich im Bad eingeschlossen und die Hemden von Bunny zerschnitten. Als der die Badezimmertür endlich öffnet, bemerkt er, dass sich seine Frau erhängt hat.

Wenn das wahre Ich sichtbar wird

Er wollte ein Monster erschaffen, erklärte Nick Cave zu seinem Roman. Und dass ist ihm mit Bunny Munro eindrucksvoll gelungen. Zu Beginn noch wirkt der Kosmetikverkäufer wie ein liebenswerter Taugenichts. Aber nach und nach, Schicht um Schicht, zeigt sich das wahre Ich dieses Mannes.

Als seine Frau gerade Bunny Junior zur Welt gebracht hat, hat er nichts besseres zu tun, als die beste Freundin seiner Frau zu betatschen. Als man seine Gattin dann begräbt, verzieht er sich während der Messe aufs Klo, um ausgiebig zu onanieren.

Als Filmdrehbuch geplant

"Bunny Munro" war eigentlich als Filmdrehbuch gedacht. Der Regisseur John Hillcoat bat Cave um ein Drehbuch, dessen Hauptfigur ein Handlungsreisender sein sollte. Der Film wurde nie gedreht, das Script aber wuchs sich zu einem Roman aus. Zu einem Text, den Cave während einer Tournee auf seinem iPhone zu schreiben begann.

Um den Tod seiner Frau zu überwinden, nimmt Bunny seinen Sohn und begibt sich auf eine letzte Verkaufstour. Wie im Fieber hetzt er von einer Kundin zur nächsten, überzeugt davon, seinem Jungen die Lektionen des Lebens beizubringen. Aber wo er auch hinkommt wendet sich die Situation in kürzester Zeit gegen ihn.

Eine Kundin, deren Bad er vollpisst, bricht ihm die Nase, ein Drogenkurier schlägt ihm fast den Schädel ein. Aber noch immer ist Bunny überzeugt, oben auf zu sein. Denn wer kann ihm den schon widerstehen? Die drei allein erziehenden Mütter, denen er seine Cremes verkauft? Die kann er doch jederzeit vernaschen. Als er es dann wirklich versucht, gerät er an einen eifersüchtigen Ehemann, der ihm mit der Bratpfanne in die Flucht schlägt.

Groteske Grüße aus vergangenen Zeiten

Das wirklich Überraschende an Nick Caves Roman ist die Tatsache, dass fast nichts an dem Text an den Songwriter Nick Cave erinnert. Ja, man findet hier die großen Themen wieder, die den Sänger seit mittlerweile dreißig Jahren umtreiben. Besessenheit, Verdammnis, Sex, Tod, Schuld, Sühne, Gewalt. Aber diese Motive kommen eher wie Karikaturen daher, wie dezente Grüße aus längst vergangenen Zeiten.

Zwei Beispiele. Das Leitmotiv "Killing a woman" zog sich wie ein roter Faden durch die frühen Songs von Nick Cave. Man kann sie kaum zählen, all dieses Lieder wo ein Mann voll Kummer davon berichtet, dass er seine Liebste gerade getötet hat. Auch in diesem Roman werden Frauen verfolgt. Ein Mann, der sich als Teufel verkleidet, belästigt und verängstigt die weiblichen Bewohner Südenglands. Das ist nur mehr grotesk und wirkt ein wenig so, als würde Cave seine eigenen alten Songs aufs Korn nehmen.

Genauso verhält es sich mit Kylie Minogue. Mit der sang Cave im Jahre 1995 "Where the wild roses grow“. Das war Caves erster Mainstream Hit und für Kylie Minogue der Beginn einer neuen Karriere. Im Roman spielt die australische Sängerin wieder eine zentrale Rolle. Als omnipräsenter nasser Traum von Bunny. Immer wenn es ihm schlecht geht - und auch dann, wenn es ihm nicht schlecht geht - denkt er an die goldenen Hot Pants, die Minogue im Video zu ihrem Song "Spinnig Around“ trägt.

Zwei zentrale Inspirationsquellen

Neben dem Markusevangelium sei das SCUM Manifest von Valerie Solanas die zweite zentrale Inspiration für diesen Roman, erklärte Nick Cave. In diesem Manifest ruft die spätere Warhol Attentäterin zur Vernichtung der Männer auf. Bunny ist nun die Apotheose des Männerbildes von Solanas. "Kein Schuldbewusstsein, totale Unfähigkeit zärtlich zu sein, ein Klumpen Fleisch, der durch die Straßen schlurft und alles zu ficken versucht, was sich bewegt.“, so charakterisiert Cave seine Romanfigur Bunny Munro.

Viel passiert nicht auf den mehr als dreihundert Seiten dieses Romans. Von Station zu Station schleppt sich Bunny - aber auf diesen Etappen entwickelt er sich nicht. Dass die Lektüre trotzdem nie langweilig wird, dass man trotz allem dem Niedergang des Unsympath Bunny Munro folgt, dass illustriert eindrucksvoll die literarische Potenz von Nick Cave.

Hör-Tipp
Ex libris, Sonntag, 1. November 2009, 18:15 Uhr

Buch-Tipp
Nick Cave, "Der Tod des Bunny Munro", Deutsch von Stefanie Jacobs, Kiepenheuer und Witsch