Die Vernetzung der Welt beginnt mit dem Telephon
Datentransport
Die Vernetzung der Welt über die Meere begann 1857, als das erste Transatlantikkabel verlegt wurde. Das Übertragen von Signalen über den Landweg hingegen reicht weitaus länger zurück. Es beginnt mit der Erfindung des Telefons.
8. April 2017, 21:58
Interessant, so der Britischen Generalpostmeister, sei die Erfindung des Telefons schon, aber man brauche es nicht, denn man habe ein gutes Netz an reitenden Boten zur Verfügung. Interessant fand das Telefon auch sein Amerikanischer Kollege, aber kein Geschäft. Er schätzte den Bedarf an Telefongeräten, so Otto Koudelka von der TU Graz, nicht höher ein als: ein Telefon in 100 Jahren in jeder größeren Stadt.
Interessant fand vielleicht auch Kaiser Franz Joseph das Telefon. Wer weiß. Überliefert ist nur, dass er die Erfindung des "Telegraphon", eine Art früher Anrufbeantworter des dänischen Erfinders Valdemar Poulsen, interessant fand. Dazu findet sich in der Mediathek in Wien ein altes Tondokument.
Der Kampf ums Patent
Als die Staatsmänner und Monarchen 1900 die Weltausstellung in Paris besuchten und Sprach- und Aufnahmegeräte aller Art bewunderten, waren die Streitereien um das Telefonpatent schon Geschichte und der ehemalige Lehrer für Taubstumme Graham Bell im Besitz eines Telefonmonopols.
Unumstritten war diese Vorkommen jedoch nicht: Am selben Tag wie Bell brachte in den USA auch Elisha Gray seine Papiere über einen Sprechapparat zum Patentamt. In Österreich, Deutschland und Frankreich, so Werner Siemens 1877, wurde Bells Werk als neue Erfindung daher gar nicht erst anerkannt. Schließlich gab es ja auch noch Phillip Reis. Der Lehrer aus Deutschland hatte bereits 16 Jahre vor der Patentverleihung an Bell, 1860, ein Gerät, das er "Telephon" nannte, der physikalischen Gesellschaft in Frankfurt am Main vorgeführt.
Sarkastisch schrieb am 6.November 1877 Werner Siemens an seinen Bruder Karl in London: "Wir Esel haben zwar das Wunder des deutlichen Verstehens auf sechzig Fuß und mehr Entfernung angestaunt, aber die Sache nicht verfolgt, auch dann nicht, als Reis es elektrisch zu machen versuchte."
Die deutsche Erfindung wanderte nach England und Nordamerika, wurde dort weiter verbessert sowie für den praktischen Verbrauch hergerichtet und kehrte nunmehr als eine in Amerika patentierte Erfindung nach Deutschland zurück. Hier ist allerdings der Bellsche Apparat von maßgebender Seite niemals als eine neue Erfindung anerkannt worden.
Geschäftsmänner entdecken das Telephon
Das Telephon von Reis bestand aus einem Holzkästchen. Als Hörer diente eine Art Stricknadel aus Eisen, die mit Kupferdraht umwickelt wurde. Dieser Fernsprechapparat, so Scientific America 1905, lernte auch der Engländer Graham Bell während seiner Studienzeit in Edinburgh kennen.
Es waren nicht die Post- und Telegrafengesellschaften, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an die neue technische Entwicklungen der Sprachübertragung glaubten. Es waren vielmehr Geschäftsmänner. Auch in Österreich. Nicht die k. u. k. Post- und Telegraphenverwaltung, sondern ein privates Unternehmen hatte sich die Konzession zur Errichtung eines Telefonnetzwerkes in Wien gesichert.
Ausgehend vom Stephansdom sollten in einem Radius von 15 km die ersten Telefonleitungen verlegt werden, schreibt Gerhard Fürnweger 2006 in seiner Festschrift "125 Jahre Telefon in Österreich". 1881 druckte die Morgenpost, unzufrieden mit den Entwicklungen und dem schleppenden Fortschritt in Wien, einen Artikel ab. Darin mokierte sich der Journalist darüber, dass keine herausragenden Techniker, sondern ein Kaufmann der Börse und ein ehemaliger, im Gassendienst der k. u. k. Staatstelegrafie tätiger Beamter, für das Telefonnetz in Wien verantwortlich sind. Schließlich müssten bei derartigen Unternehmungen ja auch technische Fragen beantwortet werden.
Technische Herausforderungen
Es mussten Entscheidungen getroffen werden ob Luft- oder Erdkabel verlegt und mit welchen Isolierungen die Drähte versehen werden. Denn das Überspringen eines Gesprächs auf eine andere Leitung, galt nicht erst seit der Telefonie als Problem. Das Problem der Induktionsströme kannte man auch bei der Telegrafie. Es waren auch nicht immer die Experten, die dafür eine brauchbare Lösung parat hatten. Ein Ingenieur schlug zum Beispiel vor: Man könnte doch für jeden Buchstaben des Alphabets eine eigene Leitung verlegen.
Morgen-Post, 3. Dezember 1881:
Heute können wir als bekannt voraussetzen, dass das einzige mir Erfolg angewendete Mittel, diese Induktionserscheinungen zu mindern darin besteht, dass jede einzelne Telephonleitung eine eigenen Rückleitung erhalte. Da es nun außerordentlich schwierig, ja in vielen Fällen geradezu unmöglich sein wird, die hiezu nötigen Leitungen oberirdisch herzustellen, so war die Verwendung von unterirdisch zu legenden Kabeln eine notwendige Folge. Bei uns, und speziell bei der Wiener Privat Telegraphen-Gesellschaft, weiß man das auch und deshalb, wie auch um die unnützen Mehrauslagen zu vermindern, beschlossen die zwei leitenden Techniker, Luftleitungen zu bauen und sich der Erde als Rückleitung zu bedienen. Wenn man nun noch berücksichtigt, dass selbst diese Arbeiten mit souveräner Verachtung der elementaren Prinzipien eines Telegraphenleitungs-Baues ausgeführt wurden - was begreiflich wird, wenn man weiß, dass im Dienste dieser Gesellschaft auch nicht ein nur halbwegs technisch gebildetes Individuum steht - so ist es nicht schwer schon jetzt mit aller Bestimmtheit zu behaupten, dass das Telephon-Debut in Wien ein überaus klägliches sein wird.
In der Luft oder in der Erd
Luft- oder Erdleitungen waren das große Thema im 19. Jahrhundert. Den Vorschlag Leitungsdrähte für den elektronischen Strom in eine isolierte Hülle zu packen und in der Erde zu vergraben oder ins seichte Wasser zu versenken, machte 1774 bereits George Louis Lesage in Genf.
In St. Petersburg fanden 1840 die ersten erfolgreichen Experimente statt. Man hat es mit Glas- Eisen- und Bleirohren probiert, griff zu Kautschuk, Teer, Kolophonium und Wachs, bis man endlich das Material Guttapercha entdeckte, eine Art Milchsaft, dem Kautschuk ähnlich, mit besonders guten Isoliereigenschaften, wie Wernher von Siemens damals mit Freuden bemerkte.
Es war auch Siemens und Halske, denen es in den 1850er Jahren gelang, Drähte mit Guttapercha ohne Nahtstellen zu überziehen, indem sie das Isolationsmaterial raspelten, in Wasser einweichten, Sand und andere Stoffe beimischten, es durch Walzen und Knetmaschinen jagten, um es schließlich im erwärmten Zustand über die Drähte zu gießen. Ein weiterer kleiner Puzzlestein, der am Ende gigantische Projekte wie die Verlegung von Kabeln über den Atlantik ermöglichte. Aber soweit war man noch nicht. Trotz allem Fortschritts blieben die Produktion der Kabel, die Wahl der richtigen Isolationsschichten und dessen Verlegung eine technische Herausforderung.
"Die unterirdischen Leitungen in Preußen fingen schon in den nächsten Jahren nach ihrer Legung da und dort zu versagen an und verursachten große Reparaturkosten. 1852 hatten die chronischen Unterbrechungen des Telegraphen-Verkehres einen so bedenklichen Grad erreicht, dass die preussische Telegraphendirection am 18. Juni dem korrespondierenden Publicum mitzuteilen genötigt war, die vorhandenen unterirdischen Leitungen hätten sich nicht bewährt, und es könne deshalb bis zur Herstellung oberirdischer Linien auf eine regelmäßige und prompte Beförderung der Depeschen nicht gerechnet werden."
Aus: Die Kabeltelegraphie, Von Max Jüllig, Dipl. Ingenieur, Docent an der k. k. technischen Hochschule in Wien, Elektrotechnische Bibliothek, Hartleben’s Verlag, 1884
Hör-Tipp
Matrix, Sonntag, 3. Jänner 2010, 22:30 Uhr
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Mediathek - Kaiser Franz Joseph