Die Abkehr von einem ehemaligen Nationalsport
Is Schifoan no des Leiwaundste?
Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass der Skilauf schon lange nicht mehr Volkssport Nummer eins ist. Nur fünf Prozent der Bevölkerung läuft regelmäßig Ski. In der Skiindustrie sind in den vergangenen Jahren tausende Arbeitsplätze verlorengegangen.
8. April 2017, 21:58
Peter Zellmann über die Entwicklung des Alpinsports
An diesem Wochenende strömen zigtausende Menschen zu den Skirennstrecken in Kitzbühel. Millionen werden die Hahnenkamm-Rennen im Fernsehen verfolgen. Wenn man den Zuschauer-Ansturm hernimmt und die Einschaltquoten im ORF, dann ist Skifahren nach wie vor der Volkssport Nummer eins. Wenn es darum geht, welche Sportarten die Österreicherinnen und Österreicher selbst betreiben, zeigt sich ein ganz anderes Bild.
Nur mehr fünf Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sagen, sie fahren regelmäßig Ski, also im Winter einmal pro Woche. Vor nicht einmal 20 Jahren, Anfang der 1990er Jahre, haben sich noch 15 Prozent der Österreicher als regelmäßige Schifahrer bezeichnet, also drei Mal so viele. Damit ist Skifahren weit hinter Radfahren und Laufen zurückgefallen und steht heute auf einer Stufe mit Schwimmen, Gymnastik und Nordic Walken.
Und 57 Prozent aller Österreicher sagen, sie fahren überhaupt nie Ski. "Das ist enorm hoch für den angeblichen Volkssport Nummer eins", sagt Peter Zellmann, Leiter des Instituts für Freizeitforschung. Und die Zahl der Totalverweigerer sei seit Jahren im Steigen begriffen.
Die Skiindustrie leidet
Dieser Trend hat in der Skiindustrie tiefe Spuren hinterlassen: Die Verkaufszahlen sind stark zurückgegangen. Die großen Anbieter kämpfen um immer weniger Skifahrer. Österreichs Firmen geraten dabei auch unter Druck von ausländischen Konkurrenten, die Billig-Skier in China produzieren lassen.
Anfang der 1990er Jahre sind weltweit um die acht Millionen Paar Alpin-Skier pro Saison verkauft worden. Vor fünf Jahren waren es nur mehr vier Millionen Paar, im laufenden Winter rechnen die Firmen mit knapp über drei Millionen Paar Alpin-Skiern, die sie weltweit verkaufen werden. Ganz ähnlich ist die Entwicklung in Österreich. 350.000 Paar verkaufte Skier - das ist in Österreichs Sportgeschäften das Maximum.
Marktführer bei Alpin-Skiern, weltweit und in Österreich, ist Atomic. Geschäftsführer Wolfgang Mayrhofer ist auch Branchensprecher der Skiindustrie in Österreich. Er meint, dass die Skiindustrie das Schlimmste schon hinter sich habe. "Wir hatten einige harte Winter. Der Weltmarkt ist auf einem tiefen Stand. Es wird ein bisschen anziehen. Es wird nie mehr diesen Hype geben wie vor sieben, acht Jahren. Aber es ist ein Markt, um den es sich lohnt zu kämpfen, wo man ein Geschäft machen kann."
China ist keine Konkurrenz
Meldungen, Billig-Skier aus China wären eine Bedrohung für die österreichischen Hersteller, hält man bei Atomic und auch bei Fischer für weit übertrieben. Ausländische Hersteller wie K2 (USA), Völkl (Deutschland) und Rossignol (Frankreich) haben ihre Produktion zwar komplett nach China verlegt. Fischer-Chef Franz Föttinger sieht in Standorten in China aber große Nachteile. "Es fehlt das Know-how, es fehlt die Zulieferindustrie. Man muss jeden Bestandteil nach China bringen."
Die österreichischen Skiproduzenten setzen auf eine andere Strategie: Sie produzieren billige Skier, Kinderskier, Einstiegsmodelle und Langlaufskier in Osteuropa. Die Entwicklungsabteilungen und die Produktion hochwertiger, teurer Modelle sind nach wie vor in Österreich angesiedelt - und sollen es auch bleiben, geben sich die Chefs von Atomic und Fischer überzeugt.
Skimarkt bleibt umkämpft
Auch die österreichischen Firmen haben aber harte Einschnitte hinter sich. Bei Atomic in Altenmarkt im Salzburger Pongau arbeiten derzeit über 800 Mitarbeiter. Vor drei Jahren waren es noch über 1.000. Noch härter ist die Entwicklung bei Fischer in Ried in Oberösterreich. Dort wurde die Belegschaft in gut drei Jahren fast halbiert, von knapp 900 auf derzeit 450.
Das sei nicht anders möglich gewesen, sagt Fischer-Chef Franz Föttinger. "Skier sind seit Jahren praktisch nicht teurer geworden. Rennskier haben schon vor 10 Jahren 5.000, 6.000 Schilling gekostet. Das hat sich heute kaum verändert." Mit den Kosten in westeuropäischen Standorten seien da keine Gewinne möglich. Der Ausweg führt eben in Billiglohn-Länder.
Die umworbene Jugend
Österreichs Skifirmen versuchen, vor allem junge Leute wieder für den Wintersport zu gewinnen. "Da haben wir die Entwicklung ein bisschen verschlafen", gibt sich Atomic-Chef Mayrhofer selbstkritisch. Jetzt müsse man versuchen, vor allem Schulskikurse zu fördern. Leicht wird das nicht, warnt Freizeitforscher Peter Zellmann vor zu hohen Erwartungen. Der Skisport habe eine ganze Generation verloren. In der Altersgruppe unter 40 hat ein großer Teil Skifahren nicht mehr gelernt. Vielen ist es zu teuer, viele bevorzugen andere Freizeit-Angebote und fahren im Winter lieber in den Süden. Zellmann bringt es auf den Punkt: "Diese Generation ist für den Skisport verloren."
Hör-Tipp
Saldo, Freitag 22. Jänner 2010, 9:45 Uhr
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Institut für Freizeit- und Tourismusforschung
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OESV