Dem Teint auf der Spur

Von nobler Blässe bis braungebrannt

Die Hautfarbe zeigte immer, ob man arm war oder reich, ob man arbeiten musste oder nicht. Daher war bis in die Zeit der Industrialisierung blasse Haut ein Schönheitsmerkmal. Heute signalisiert die Urlaubs- oder Solariumsbräune den vermeintlichen Status.

Gebräunte Haut wurde - abgesehen von den letzten hundert Jahren - von Menschen zu keiner Zeit als schön empfunden. Schon im alten Ägypten trachtete man nach einem möglichst hellen, strahlenden Teint - in Anlehnung an die unsterblichen Götter, deren Haut immer mit der Farbe gold, gleichgesetzt mit Licht und Sonnenenergie, dargestellt wurde.

Allerdings: Helle Haut ziemte sich - und das war bis in die 1930er Jahre so - nur für die Oberschicht. Mit einer "vornehmen Blässe" konnte man demonstrieren, dass man reich genug war, um Arbeit im Freien zu vermeiden, welche ja zwangsläufig eine Bräunung der Haut verursacht hätte. Helle Haut markierte im alten Ägypten aber nicht nur Macht, sondern auch Jugend und Jungfräulichkeit. Und: Wer eine helle Haut hatte, dem wurden gleichzeitig auch positive Charaktereigenschaften zugedacht.

Ovids Schönheitsrezept

Wie die Ägypterinnen - denn das Schönheitsideal galt hauptsächlich für Frauen - trachteten auch die antiken Römerinnen und Griechinnen nach einem möglichst hellen Teint. Ein Rezept dafür lieferte der römische Dichter Ovid in dem erhaltenen Fragment "Medicamina faciei femineae".

Lernt jetzt, wie das Gesicht, wenn der Schlaf euch befreit die zarten Glieder, sich glänzend schmücke mit strahlendem Weiß. (...) Thu zwei Unzen dazu von Tustischen Körnern und Gummi, und neunmal so viel Honig noch gieße darein. Wenn Du Dir dann das Gesicht einreibst mit der obigen Mischung, wird es glänzend, dass selbst heller dein Spiegel nicht strahlt.

Ob die antiken Damen nach der Anwendung von Ovids Gesichtsmaske tatsächlich eine hellere Haut hatten, lässt sich nur schwer sagen.

Giftiges Bleiweiß

Seine Wirkung auf keinen Fall verfehlt hat, zumindest laut historischen Quellen, ein Gemisch, das von der Antike bis weit ins 19. Jahrhundert hinein zur Anwendung kam: nämlich Bleiweiß - ein hoch giftiges, basisches Bleicarbonat. Verschwenderisch soll es die englische Königin Elisabeth I. aufgetragen haben, weswegen sie auch als die "Elfenbein-Regentin" in die Geschichte eingegangen ist.

Eine normale Hautfarbe galt in den folgenden 200 Jahren als äußerst unschick, auch in Frankreich. In der Epoche des Rokoko war weiße Haut dort nicht nur bei Frauen Mode, sondern auch bei Männern und Kindern. Erlangt wurde sie mit viel Bleiweiß und mit Puder, mit dem man sich täglich Dekolletee, Arme, Hände und Perücke bestäubte.

Allzu weiße Haut

1690 erschien in Leipzig ein Ratgeber mit dem Titel "Curiöser Haut=Diener. Vorstellend der Menschlichen Haut-Schönheit und Heßligkeit". Sein Autor, Tobias Vogel, vermerkt kritisch den Hang der deutschen Frauen zu einer allzu weißen Haut:

Etliche aber unter den Frauenzimmern erwehlen mit denen Frantzosen die blasse Farbe zur Schönheit/ meynende/ roth wäre bäurisch/ dahero essen sie Kreide/ Kalck/ Krebsaugen/ Stärcke/ Leinen/ Campffer/ und richten sich damit zu ihren grösten Schaden eine perfecte Todtenfarbe zu.

Bleichmittel im 19. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert verwendeten Frauen zum Bleichen ihrer Haut nicht nur das schon erwähnte Bleiweiß, sondern auch das ebenso giftige Quecksilber, das in einer Mischung namens "Sublimat" bekannt war. In seinem 1894 in Wien erschienenen Ratgeber "Kosmetische Winke für die Pflege der Haut, der Haare und des Mundes" listet ein gewisser Dr. Arthur Loebel die gängigsten im Handel erhältlichen Bleichmittel seiner Zeit auf.

Russisches Schönheitswasser: ein mit 6% schwerspathhaltigem Bleiweiss vermengtes, mit Benzoe versetztes Rosenwasser;
Snow-White-Oriental-Cream: eine farblose Flüssigkeit mit 50% Bleicarbonat;
Cosmetic Wash, Gowland's nordamerikanisches Schönheitsmittel: 0.5 Sublimat, 30.0 Mandelmilch, 500.0 Rosenwasser, 25.0 Weingeist; Freckle Lotion: 0.72 % Aetzsublimat, 0.85% Zinkvitriol, im Bodensatze überdies geringe Mengen Quecksilber, Blei und Wismut.


Letzteres übrigens ein Metall, das noch heute zur Herstellung von Kosmetika verwendet wird.

Den Sommersprossen zu Leibe gerückt

Freckle Lotion wiederum, das letzte im Zitat genannte Bleichmittel, heißt übersetzt "Sommersprossen-Lotion". Die heute meist als hübsch empfundenen braunen Pünktchen im Gesicht waren im 19. Jahrhundert absolut tabu. Ein gewisser Dr. Wilhelm Korvin empfiehlt in seinem 1889 in Wien erschienenen Ratgeber "Schönheitsfehler und Schönheitspflege von Haut und Haar" folgende Methode zu deren Entfernung:

Man schneidet sich für die mit Sommersprossen bedeckten Hautstellen Leinwandlappen zurecht, betupft dieselben mit einer Sublimatlösung und lässt sie ca. 4-5 Stunden auf der Haut liegen. Es stellt sich ein Gefühl von Spannung und nachher intensives Brennen ein. Die Oberhaut hebt sich in Gestalt einer Blase ab, welche angestochen wird und dann zusammenfällt. Die gebildete Kruste fällt nach einigen Tagen ab, und eine weiße, reine Haut kommt zum Vorschein.

"Menschenbraten" am Strand

Im Zuge der Industrialisierung und der daraus vor allem in den Städten resultierenden schlechten Lebensverhältnisse entstand bei vielen Menschen das Bedürfnis nach mehr Luft, mehr Licht, mehr Sonne. Und damit veränderte sich auch das Bild von einem schönen Körper bzw. einer schönen Hautfarbe.

Anfangs sozusagen als "Medizin" vom Arzt verschrieben, wurde Sonnenbaden und somit eine gebräunte Haut spätestens ab den 1930er Jahren zum Ausdruck von Gesundheit und Schönheit. Erich Kästner erinnert sich in seinem Buch "Als ich ein kleiner Junge war":

Wir borgten uns Räder und fuhren durch die Rostocker Heide nach Warnemünde, wo die Menschenherde auf der Ferienweide noch viel viel größer war als in Müritz. Sie schmorten zu Tausenden in der Sonne, als sei die Herde schon geschlachtet und läge in einer riesigen Bratpfanne. Manchmal drehten sie sich um. Wie freiwillige Koteletts. Es roch, zwei Kilometer lang, nach Menschenbraten.