Helle Haut als Statussymbol
Bleich und schön?
Während in europäischen Modemagazinen für alle möglichen Selbstbräunungsmittel geworben wird, träumen viele Inder von einem makellosen Alabasterteint. Doch auch im karibischen und arabischen Raum gilt oft: Je heller desto besser!
8. April 2017, 21:58
Dünner Applaus und leere Zuschauerreihen. Eine junge dunkelhäutige Tänzerin wird vom Publikum verschmäht. Das bejubelt lieber eine Schönheit mit Alabasterteint. Im Werbespot drückt ein guter Helfer dem Mädchen eine Tube Bleichcreme in die Hand. Die Wirkung ist überzeugend. Dank Bleichcreme wird aus dem Mauerblümchen ein hellhäutiger Bollywood-Star im Blitzlichtgewitter.
"Rassismus aus der Tube"
Die Werbespots des britisch-niederländischen Konzerns Unilever sind der Ästhetik Bollywoods nachempfunden und sprechen eine eindeutige Sprache. Wer in Indien beruflichen Erfolg und Glück in der Liebe haben will, braucht in erster Linie eines: einen makellosen, und vor allem einen weißen Teint.
"Rassismus aus der Tube", nennen Kritiker die Bleichcreme "Fair & Lovely". Sie ist der absolute Verkaufsschlager des Konsumgüterriesen Unilever am indischen Markt. In Indien, einem Land, in dem die Mehrheit der Bevölkerung dunkelhäutig ist, ist helle Haut ein Statussymbol. Diese leidvolle Erfahrung hat Mehru Jaffa, Europakorrespondentin des indischen Politmagazins "Hardnews", in ihrer eigenen Familie gemacht:
"Die Haut meiner Eltern war sehr hell. Ich bin ihr erstes Kind und meine Haut ist sehr dunkel. Ich erinnere mich, dass viele Leute meine Eltern aufgebracht gefragt haben: Warum ist sie so dunkel? Diese Leute haben mir den Eindruck vermittelt, dass meine Eltern ein Kind haben, das sie nicht verdienen. Ich dachte als Kind wirklich, dass Menschen mit hellerer Haut schöner sind als ich."
"Black is Beautiful" war gestern
Als Teenager versuchte Mehru Jaffa ihre Haut aufzuhellen. Dann kamen die 1970er Jahre und aus den USA drang der "Black is Beautiful"-Kampfruf der Bürgerrechtsbewegung in alle Welt. Seither ist Mehru Jaffa mit ihrer Hautfarbe vollauf zufrieden: "Ich glaube der Wunsch, wie ein hellhäutiger Hollywood-Star auszusehen, ist vor allem in den neuen Mittelschichten Indiens weit verbreitet - unter Menschen, die vom wirtschaftlichen Boom profitiert und es zu einem bescheidenen Wohlstand gebracht haben. Die Aufsteiger der neuen Mittelschicht haben sehr normierte Vorstellungen von Erfolg und natürlich auch von Schönheit. Und in Indien sind vielleicht an die 300 Millionen Menschen so", sagt Mehru Jaffa.
Dass in Indien an die 300 Millionen Menschen so sind, haben freilich auch internationale Kosmetikriesen längst erkannt. Indien, eines der bevölkerungsreichsten Länder der Welt mit einer wachsenden Mittelschicht, ist ein heiß umkämpfter Markt. Seit 2007 will auch der deutsche Kosmetikkonzern Beiersdorf mit einer Produktlinie speziell für den Mann vom omnipräsenten Wunsch nach einer helleren Haut profitieren. "Fair & Handsome", also "hell und attraktiv" heißt das Konkurrenzprodukt, das der Markführer Unilever an den indischen Mann bringen will. Geworben wird gewohnt aggressiv.
300 Millionen Konsument/innen
Der von der Werbe- und Filmindustrie massenwirksam verstärkte Wunsch nach heller Haut ist in der indischen Gesellschaft tief verwurzelt. Im Laufe seiner Geschichte ist der indische Subkontinent immer wieder von helleren Völkern aus dem Norden besiedelt worden, die die ursprüngliche, dunkelhäutige Bevölkerung unterworfen haben. Zuerst indoeuropäische Einwanderer, später Muslime und schließlich die englischen Kolonialherren.
"Indische Intellektuelle haben immer wieder darauf hingewiesen, dass Inder versucht haben, die Kolonialherren zu imitieren: in der Art zu denken, oder sich zu kleiden. Dabei gehen eigene Traditionen natürlich verloren. Und in gewisser Weise ist das Schönheitsideal der hellen Haut auch eine Form von 'colonial mimikry', also eine Imitation der früher Herrschenden und heute der Nordamerikaner und Europäer", sagt die Indienexpertin Christiane Hartnack.
Imitation der Mächtigen
Auch Afrikaner und Afroamerikaner verwenden Bleichcremen. In den meisten afrikanischen Ländern greifen Schwarze selten zu Hautaufhellern. Doch im Herzen einer weißen Mehrheitsgesellschaft wird die afrikanische Herkunft oft zum Stigma und eine hellere Haut zum Statussymbol. Für viele Afroamerikaner in den USA gilt: Je heller desto besser.
Während Europäer Selbstbräuner verwenden, um den begehrten bronzenen Urlaubsteint zu erlangen, greifen Asiaten, Afrikaner, Araber und Afroamerikaner vermehrt zu Bleichcremen, um ihre Haut aufzuhellen. Für internationale Kosmetikkonzerne bedeutet dieses Phänomen vor allem eines: Ein gutes Geschäft mit dem Wunsch nach Partizipation am Wohlstand der weißen Hegemonialmächte. Ob das so bleibt, falls die Supermacht der Zukunft wirklich China oder Indien heißt, wird sich zeigen.