In kleinen Rollen groß
Heinz Zednik zum 70. Geburtstag
Egal wo auf der Welt vom "Zednik-Fach" die Rede ist, Opernleute wissen, was gemeint ist. So sehr hat Kammersänger Heinz Zednik seinen Partien den Stempel aufgedrückt. Am 21. Februar 2010 wird der gebürtige Wiener 70.
8. April 2017, 21:58
Heinz Zednik als Loge in "Das Rheingold"
Im letzten Kapitel seiner 2008 erschienenen Autobiographie "Mein Opernleben", "Ruhestand eines Schelms", geht Heinz Zednik schonungslos mit sich um: Spätestens ab Mitte 50 hätte sich ein Sänger aufs Karriereende einzustellen. "Ob es der jeweils Betroffene wahrnehmen möchte oder nicht, das fortschreitende Alter vermindert nun einmal die stimmlichen Fähigkeiten." Die Konsequenz daraus: "Mit 70 nehme ich endgültig Abschied von der Bühne - es sei denn, es wird mir vielleicht doch noch eine interessante Rolle angeboten, die mich wieder ins Schwanken bringt."
Wie war das mit dem "Schelm"? Seinen 70er am 21. Februar begeht Heinz Zednik jedenfalls in Mailand, wo er am Teatro alla Scala mitten in den Proben von "Aus einem Totenhaus" von Leos Janacek steht. Unter der Regie von Patrice Chéreau, mit dem gemeinsam Heinz Zednik im Bayreuther "Jahrhundertring" von 1976 Operngeschichte, Interpretationsgeschichte, Theatergeschichte geschrieben hat.
Du bist ein Tenorbuffo!
Wer im Wien der Nachkriegszeit bei den Piaristen derart mit künstlerischen Ambitionen auffällt, der kann nicht ins elterliche Hutmachergeschäft einsteigen. Schauspielen oder Singen, lange ist sich Heinz Zednik unsicher. Die Musik siegt, und Zednik hat das Glück, sofort zu einer erfahrenen Gesangspädagogin zu kommen, die ihm seine Sarastro- und Papageno-Träume aus dem Kopf schlägt: "Du bist ein Tenorbuffo! Vielleicht einmal ein Charaktertenor."
Im ersten Engagement in Graz wird der 23-Jährige sogar in lyrischen Rollen eingesetzt und ist selig. Sehr früh ebnet ihm ein Einspringen an der Wiener Staatsoper den Weg ins Haus am Ring - zu früh, wie sich herausstellt. Eine Mauer des Schweigens tut sich zwischen den Arrivierten und dem Anfänger auf, der prompt Stimmprobleme bekommt und ans Aufhören denkt.
Die Episoden, die Heinz Zednik in "Mein Opernleben" berichtet, zeichnen ein Sittenbild der Wiener Oper in den 1960er Jahren: Die nach außen wienerisch-charmante Primadonna ein Drachen, der erste Dirigent des Hauses ein kalter Zyniker. Als letztes Mittel ertrotzt sich Zednik ein Privatvorsingen bei Josef Krips - und besteht. Er "darf" mit zum Staatsoperngastspiel in Montreal, er kann in Wien bleiben, muss nicht nach Oldenburg, Braunschweig, Linz, obwohl er jungen Sängerinnen und Sängern heute genau diesen Weg als den besseren empfiehlt.
Durchbruch beim Bayreuther "Jahrhundertring"
"Du bist ein Wolf-Sänger", sagt ihm Erik Werba, der legendäre Klavierbegleiter: Hugo Wolf, Gestaltung aus dem Wort heraus. Die Einsicht, dass in einem Haus, das an Wunderlichs und Dermotas gewöhnt ist, sein "Fach" nicht Tamino und Don Ottavio sein wird, sondern Pedrillo, Wenzel in der "Verkauften Braut", der Tanzmeister in "Ariadne auf Naxos", das Fach des Spiel- und Charaktertenors, sie kommt für Heinz Zednik rasch und schmerzlos, erleichtert durch die Anerkennung, die ihm für alle diese Rollenportraits nun plötzlich entgegenschlägt, von Publikum, Presse, Dirigenten.
Als Gerhard Stolze, ein Sänger mit ähnlicher Stimme und Karriere, Soltis Herodes ("Salome"), Karajans Mime ("Siegfried"), krankheitsbedingt leiser treten will und Zednik als potenziellen "Nachfolger" nach Bayreuth empfiehlt, sind die Sommer-Engagements in der Badener Sommerarena, wo Zednik für seinen überragend gespielten Orlofsky ("Die Fledermaus") gefeiert wird, Vergangenheit.
Singschauspieler par excellence
Auch am "Grünen Hügel" beginnt er mit kleinsten Aufgaben, wird von Wolfgang Wagner aber bald für "Rheingold"-Loge und den "Siegfried"-Mime eingesetzt. Als 1976 das Hundertjahrjubiläum der ersten Bayreuther "Ring-des-Nibelungen"-Aufführung ansteht, bleiben ihm diese Partien erhalten. Pierre Boulez dirigiert, und in der Chéreau-Inszenierung, die anfangs wild abgelehnt wird - wer erinnert sich noch an die Trillerpfeifen-Chöre und lautstarken Debatten im Zuschauerraum? -, tobt, klettert, kugelt Zednik über die Bühne, braut als Mime seinen "Sud" mit echten Eiern, ist Singschauspieler par excellence.
Mit den Hymnen, die über diese Leistung geschrieben wurden, hätte man Zimmerfluchten tapezieren können: "Der Loge des Heinz Zednik verband Cagliostro-Beweglichkeit mit dämonischer E.T.A.-Hoffmann-Verschlissenheit und Flammensprühen zu einer Figur, wie sie das moderne Operntheater brillanter nicht kennt", urteilte Joachim Kaiser. Und Franz Endler meinte: "Heinz Zednik hat nach diesem Loge und Mime Weltruhm. Was er an kluger Charakterisierungskunst leistete und dabei noch sang, ist hier ohne Beispiel."
Weltstar und Wiener Ensemblemitglied
Tatsächlich steht Heinz Zednik nach dem "Jahrhundertring" plötzlich die Weltkarriere offen: New York, Mailand, Paris... Er nützt die sich bietenden Chancen, bleibt aber Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper: 94 Rollen kommen so bis 2009 zusammen. Nach seinen "Paraderollen" gefragt, nennt Zednik den Fäden-ziehenden Denunzianten Incoyable in Giordanos "Andrea Chenier", den Gottesnarren und den Schuiski in Mussorgskys "Boris Godunow", den Stewa in Janaceks "Jenufa", den Basilio in Mozarts "Le nozze di Figaro", den Herodes in "Salome", aber auch Werktitel von Friedrich Cerha, Gottfried von Einem, Philippe Boesmans.
Tatsächlich hat er ein Sängerleben hindurch mit Engagement viel, viel Zeitgenössisches gesungen, von Berg bis Berio, von Schnittke bis Zobel. Und Heinz Zednik hat das Kunststück zuwege gebracht, "Publikumsliebling" zu sein, obwohl er auf der Bühne so oft unsympathische Charaktere zum Leben erweckte ... Von den Dirigenten seiner Karriere nennt er Herbert von Karajan an erster Stelle, den privat ihm gegenüber so gar nicht despotischen Karajan: Die gemeinsamen "Figaro-", "Falstaff-", "Carmen-"Aufführungen, teils bei den Salzburger Festspielen, sind schönste Erinnerungen.
Ein Sänger mit Überzeugungen
Heinz Zednik leistet sich Überzeugungen: Musik von aus Österreich vertriebenen Komponisten wieder zum Klingen zu bringen, ist ihm ein Anliegen. (Begonnen hat das mit Ernst Kreneks "Reisebuch aus den österreichischen Alpen", von der Zedniks Aufnahme neben der von Julius Patzak steht - und besteht.) Gemeinsam mit Walter Berry hat Zednik für den ORF am Riesen-CD-Projekt der "Kremser Alben" mitgemacht: Wienerisches aus dem 19. Jahrhundert - bei wem wäre dieses Lieder-Repertoire besser aufgehoben?
Auch heute noch, nachdem Heinz Zednik an der Wiener Staatsoper in Pension gegangen ist und sich von fast allen seiner Opern-Lieblingsrollen von früher getrennt hat, stellt er gerne bunte Liederabend-Programme zusammen, bei denen dann Musik von Franz Xaver Süßmayr neben Hermann Leopoldi stehen kann. Vielleicht gibt es noch Regie-Aufgaben, den einen oder anderen Meisterkurs. "So läuft meine Karriere langsam aus, der Bogen ist gespannt, rund und abgeschlossen."
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Hör-Tipp
Stimmen hören, Donnerstag, 18. Februar 2010, 19:30 Uhr
Buch-Tipp
Heinz Zednik, "Mein Opernleben"; Edition Steinbauer
CD-Tipp
"Heinz Zednik - Im Porträt (Lyrischer Tenor mit Charakter)", mit Bonus-DVD; Bock Productions Vienna
Link
Wiener Staatsoper - Interview mit Heinz Zednik