Zum 80. Geburtstag der amerikanischen Sopranistin

Dubbing Queen Marni Nixon

Die Schauspielerin Audrey Hepburn verkörpert Eliza Doolittle in "My Fair Lady". Gesungen wird das Londoner Blumenmädchen von der Sopranistin Marni Nixon. Innerhalb der Traumfabrik Hollywoods ist das kein Einzelfall, sondern Normalität.

Einem deutschsprachigen Kinopublikum ist die Technik der Synchronisation von Filmen - der O-Ton eines Schauspielers wird durch eine deutsche Tonspur ersetzt - wohlbekannt. Wir sind mit Synchronisation aufgewachsen und wären sogar verstört, wenn Ben Kingsley nicht wie Peter Matic klänge.

Aber auch innerhalb der Hollywood-Filmindustrie wird die Synchronisierungstechnik häufig angewendet und mit dem Fachbegriff "Dubbing" bezeichnet. Die Person, die man (singen und spielen) sieht, ist nicht identisch mit der Person, die man hört.

Am Anfang war die Panne

Das amerikanische Musical "Singin in the Rain" (1952) hält uns in farbenfroher Weise vor Augen, wie das Dubben von Sprach- und Gesangssequenzen entstanden sein soll: Der weibliche Stummfilmstar Lina Lamont (Jean Hagen) versagt in der anbrechenden Tonfilm-Ära völlig ob ihrer piepsenden Stimme. Durch eine unvorhergesehene technische Panne wird ihr Partner Don Lockwood (Gene Kelly) auf die Idee gebracht, dem Gesicht auf der Leinwand eine fremde Stimme zu verleihen. Die Wahl fällt auf Kathy Selden (Debbie Reynolds), eine junge Schauspielerin, die in der Schlussapotheose des Films zum "Lucky Star" aufsteigen wird.

Dieses Happy End blieb den realen "Kathy Seldens" in der Traumfabrik Hollywoods verwehrt. In der Regel versuchten die Filmproduzenten mit allen Mitteln den amerikanischen Traum aufrechtzuerhalten. Die Sängerinnen und Sänger, die den Stars des Films ihre Stimme liehen, wurden in den Credits nicht genannt. Sogar auf den Tonträgern wurde mit dem Namen der Hauptdarsteller als Interpreten geworben.

Die Dubbing Queen

Das berühmteste Beispiel in der Filmgeschichte ist und bleibt die Sopranistin Marni Nixon, die ihre cineastische "Geistersängerinnen"-Karriere mit drei Filmen, die den Academy Award gewannen, schmücken konnte: In "West Side Story" (1961) sang sie den Part der Puertoricanerin Maria (Natalie Wood) und in "My Fair Lady" (1964) übernahm sie den Gesang für das Blumenmädchen Eliza Doolittle (Audrey Hepburn).

Auch die Originalstimme von Julie Andrews, Hauptdarstellerin im Salzburger Trapp-Familien-Epos, "The Sound of Music" (1965), stand auf der Kippe. Ein dementsprechendes Video eines Dubbing-Tests mit Marni Nixon ist im Internetportal YouTube zu finden. Schließlich entschieden sich die Sound-of-Music-Macher doch für Julie Andrews. Sie war damit die einzige Hauptdarstellerin, die in den Oscar-prämierten Star-Musicalfilmen der fünfziger und sechziger Jahre selbst singen durfte. Denn auch Leslie Caron in "Gigi" (1958) wurde von einer Sängerin, nämlich Betty Wand, gedubbt.

Auch in einem anderen künstlerischen Bereich stand das Dubbing an der Tagesordnung, wenn es um die Fingerfertigkeit auf Instrumenten ging. Hier verfolgte man in Hollywood das Motto, gleich zum "Schmied", statt zum "Schmiedl" zu gehen. So war es nicht ungewöhnlich, für ein Violin-Dubbing Isaac Stern und Yehudi Menuhin zu engagieren oder bei einem Klavier-Dubbing auf Artur Rubinstein und Ernst Wolfgang Korngold zurückzugreifen.

Schein und Sein hinter den Kulissen

Die doppelte Dubbing-Schlusspointe bei "Singin in the Rain" bleibt bis heute oft unerwähnt: Protagonistin Debbie Reynolds hatte mit der - ungenannten - Betty Royes ebenfalls eine Geisterstimme in ihren Gesangssequenzen. Aber es kommt noch besser: Die Sprechstimme, die Debbie Reynolds der piepsenden Hauptdarstellerin Lina Lamont, gespielt von Jean Hagen, leiht, ist in Wirklichkeit die tatsächliche samtene Originalstimme von Jean Hagen.

PS: Eine persönliche Anmerkung sei mir gestattet. Mir wird für immer der 2. Juli 1997 in Erinnerung bleiben. An diesem Tag brachte ein österreichischer Radiosender einen Nachruf auf den verstorbenen Hollywood-Filmstar James Stewart und würdigte den Schauspieler mit einem kurzen Filmausschnitt. Zu hören war - sein Synchronsprecher.

Hör-Tipp
Spielräume, Sonntag, 21. Februar 2010, 17:30 Uhr

Links
Marni Nixon
YouTube - The Sound of Music Screen Test
Barbara Lea - Movie Dubbers

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