Andere aber schon!
Warum ich nie Angst hatte vor Johanna Dohnal
Für die einen war sie ein "rotes Tuch", für andere die bedeutendste Politikerin der Zweiten Republik: Johanna Dohnal. "Frauen müssen um ihre Rechte kämpfen", pflegte die Sozialdemokratin zu sagen, "denn geschenkt bekommen wir nichts." Sie hatte Recht!
8. April 2017, 21:58
"Eine Frauenbewegung, die nicht lästig ist, hat keine Existenzberechtigung." Besser könnte man das Lebensmotto der ersten Frauenministerin Österreichs wohl nicht beschreiben. Johanna Dohnal war auch der Meinung, dass "aus taktischen Gründen leiser zu treten, sich immer noch als Fehler erwiesen hat." Und dafür hat sie Zeit ihres Lebens auch einen hohen Preis bezahlt.
Zum Beispiel diesen, von dem mir eine liebe Kollegin heute erzählt hat: Nach der Kinopremiere des Filmes "Das zehnte Jahr" der Filmemacherin Käthe Kratz - das war im Jahr 1995 - gingen Johanna Dohnal, Käthe Kratz und eben jene Kollegin zur Premierenfeier ins MAK-Café an der Wiener Ringstraße. Als sie das Lokal betraten, ging ein Raunen durch den Saal: "Schau, die Dohnal, buh!" Eine Gruppe junger Schnösel artikulierte ihre Abneigung gegen die damals Noch-Frauenministerin ungeniert. Solche Art Reaktionen - persönliche, innerparteiliche oder mediale - musste Dohnal oft genug über sich ergehen lassen. Und tat es auch. Denn es ging ihr ja um etwas. Einmal sagte sie zu mir, dass sie für viele - vorzugsweise Männer, aber auch Frauen - ein "rotes Tuch" gewesen sei. Das fand sie, die eingefleischte Sozialdemokratin, irgendwie witzig. Dass man über eine "Rote" sagt, sie sei ein "rotes Tuch". Johanna Dohnal hatte wirklich Humor.
Und dann hatte Johanna Dohnal auch noch Ausdauer: Fast ihre ganze politische Laufbahn hat sie sich dem einen Thema verschrieben: der Verbesserung der Lebenssituation von Frauen. Um Frauenpolitikerin zu sein, braucht man einen langen Atem, das macht man nicht im Vorbeigehen auf dem Weg zum nächsten Karrieresprung in der Partei. Und eines wusste sie genau: dass zu hoffen, dass sich durch den "Gutwill" des Gegenübers etwas von alleine ändern würde, ein fataler Irrtum ist. Gesetze mussten her, wie jenes, das Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe stellte. Damals ließ man sie - auch in der eigenen Partei - wissen, dass sie zu radikal sei. "Das war unter den Politikerinnen und Politikern ein Tabuthema, denn auf beiden Seiten gab es viele Betroffene, wenn Sie verstehen, was ich meine". Eine typische Dohnal-Formulierung, die alles "Menschliche" hinter politischen Entscheidungen zum Ausdruck brachte.
Außerdem war sie auch noch mutig, auch wenn sie selbst meinte, dass sie oft nicht mutig genug gewesen sei. Ich habe diese Meinung nie geteilt. Für mich und viele, viele andere Frauen in diesem Land war Johanna Dohnal sehr mutig. Mag sein, dass ihr das nicht so vorkam, weil das, wofür sie sich einsetzte, ihr so selbstverständlich war. Zum Beispiel, dass Frauen für gleiche Arbeit auch gleich bezahlt werden müssen. Oder dass junge Frauen auch andere Berufe als Friseuse oder Verkäuferin erlernen können. Oder dass die Gesellschaft verpflichtet ist, einer Frau und ihren Kindern Schutz zu gewähren, wenn sie von ihrem Ehemann geschlagen wird. Dass es heute in ganz Österreich Frauenhäuser für misshandelte Frauen gibt, ist zu einem Gutteil ihr zu verdanken.
Johanna Dohnal hat viele Menschen Zeit ihres politischen Wirkens aufgeregt. "Die Dohnal soll endlich a Ruah geben!" - eine Forderung, der sie bis zum Ende nicht nachgeben wollte und konnte.
Die Tatsache, dass sie in den letzten Jahren mit vielerlei Ehrungen überhäuft wurde, kommentierte sie mir gegenüber in der ihr eigenen humorvollen Art so: "Gegen mich gibt es ja jetzt keine Anfeindungen mehr. Nach dem uralten Motto 'Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer'. In der Meinung der Öffentlichkeit ist es grad so, als wäre alles Gute der letzten Jahrzehnte von mir gekommen. Bis zurück in die Erste Republik." Und lachte.
Warum also hatte ich nie Angst vor Johanna Dohnal, andere aber schon? Weil sie davon ausging, dass Frauen Menschenrechte haben. Und man dafür auch kämpfen muss. Danke Johanna.