Es herrscht großer Nachholbedarf

04. Die Kritik einiger Experten

Massive Kritik am Österreichischen Gesundheitssystem haben im Oktober Experten der Wirtschaftskammer, des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger und der Österreichischen Gesellschaft für Gesundheitsökonomie geübt. In der Politik herrsche großer Nachholbedarf, um das Gesundheitssystem aufrecht zu erhalten. Patienten seien verunsichert, die Krankenkassen befänden sich in einer schwierigen finanziellen Situation.

Es braucht Zielvorgaben
Josef Probst, stellvertretenden Generaldirektor des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger, kritisiert die momentane Gesundheitspolitik: "man könnte meinen, dass wir hier keine Probleme haben. Österreich gibt jährlich 26 Milliarden Euro für die Gesundheit aus. Es gibt aber eine Reihe von Themen, die noch nicht bewältigt sind." So gäbe es im Gesundheitssystem zwar Zielsetzungen auf Landes-, nicht aber auf Bundesebene. Es mangle also an klar formulierten und klar messbaren Gesundheitszielen. Österreich sei damit eines der wenigen Wohlstandsländer, das keine einheitlichen Gesundheitsziele habe. Unter diesen Umständen sei es schwer möglich, Verbesserungen einzuführen. Probst fordert deshalb unter anderem mehr Transparenz und unabhängige Institutionen, die sich um eine Verbesserung des Gesundheitssystems und um eine Qualitätssicherung kümmern.

Einsparpotentiale nutzen
Für die Wirtschaft sind aber auch gesunde Mitarbeiter notwendig, sagt Dr. Martin Gleitsmann, Leiter der sozialpolitischen Abteilung in der Wirtschaftskammer Österreich: "Wir haben gerade vor wenigen Monaten den ersten Fehlzeiten-Report für Österreich erstellt und darin festgestellt, dass die direkten und indirekten Kosten durch Fehlzeiten und gesundheitsbedingten Ausfällen von Mitarbeitern am Arbeitsplatz rund 6,5 Mrd. Euro für die Betriebe ausmachen." Dem Gesundheitssystem fehlen zudem Wettbewerbselemente, vor allem wenn es um den Nutzen für die Patienten gehe, so Gleitsmann.

Auch Univ.-Prof. Dr. Josef Dézsy, Gründer der Österreichischen Gesellschaft für Gesundheitsökonomie, sieht großen Handlungsbedarf im Gesundheitssystem: "Das Problem ist die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Von Solidarität kann man in diesem System überhaupt nicht mehr sprechen." Ein großes Einsparpotenzial ortet er, wenn man die zur Verfügung stehenden Mittel effizienter einsetzen würde.

Umfassender Gesundheitsbegriff
In Österreich mangle es zudem an einem ganzheitlichen Ansatz zum Thema Gesundheit. Davon ist der Präsident der Salzburger Wirtschaftskammer Kommerzialrat Julius Schmalz überzeugt: "Man sollte für die Bürger ein umfassendes, ganzheitliches, körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden im Sinne der Definition der Weltgesundheitsorganisation erreichen." Zu diesem Ansatz gehöre aber auch die Einbeziehung der Gesundheitswirtschaft. Die Wirtschaftskammer Salzburg ist ja Vorreiter auf diesem Gebiet und versuche verstärkt Kooperationen zwischen dem "klassischen Gesundheitswesen" und der Gesundheitswirtschaft zu schaffen.
"Unser Ziel ist es, eine neue Dimension in das Gesundheitssystem zu bringen, wo Ökonomie vorher kein Thema war, so Bernhard Schwarz von der Österreichischen Gesellschaft für Gesundheitsökonomie. Wenn wir Geld investieren, wollen wir Gesundheit zurückbekommen".

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