Meinung von Politikwissenschaftlern

Bundespräsident: Machtverzicht beibehalten

Als einziger direkt vom Volk gewählter Amtsträger hat der Bundespräsident wichtige Befugnisse: Er könnte die Regierung entlassen und das Parlament auflösen - was aber noch nie passiert ist. Dieser Machtverzicht des Staatsoberhaupts sollte am besten beibehalten werden - das ist die überwiegende Meinung von Politikwissenschaftlern.

Mittagsjournal, 12.04.2010

Stärker eingreifen?

Im Wahlkampf um den Bundespräsidenten geht es auch um die Frage, wie dieses Amt im Verhältnis zur Regierung ausgeübt werden soll. So sagen die beiden Herausforderer des amtierenden Präsidenten, Barbara Rosenkranz und Rudolf Gehring, sie würden stärker in die Tagespolitik eingreifen als Heinz Fischer das bisher getan hat.

Rolle bei Regierungsbildung

Der Bundespräsident hat formell freie Hand bei der Ernennung des Bundeskanzlers, einzelne Minister kann er ablehnen. So hat Bundespräsident Thomas Klestil im ersten Kabinett von Wolfgang Schüssel die Aufnahme von Thomas Prinzhorn und Hilmar Kabas in die Regierung verhindert. Auch frühere Präsidenten haben diese Macht genutzt, sagt der Politologe Peter Gerlich von der Universität Wien: "Es war klar bis zu Jonas, das die Präsidenten eine dritte Partei nicht in eine Regierung aufnehmen würden, also eine Regierung angeloben, wo die FPÖ drinnen ist. Auch spätere Präsidenten haben sich geweigert, manche Ernennungen zu unterschreiben, und sich dabei auch durchgesetzt, obwohl das nie nach außen gedrungen ist."

"Kritik am Parteiensystem"

Hier zeigen sich aber auch die Grenzen der Macht des Bundespräsidenten: Setzt er eine Regierung gegen den Willen des Parlaments ein, könnte sie jederzeit durch ein Misstrauensvotum gestürzt werden. Und so hat auch noch kein Bundespräsident von seinem Recht zur Entlassung einer Regierung Gebrauch gemacht, sagt Wolfgang Mantl von der Universität Graz: "Es gibt auch das Recht zur Auflösung des Nationalrats. Das ist in der ersten Republik einmal versucht worden. Aber seit damals ist das totes Recht. Jedenfalls bei der Regierungsbildung ist der Bundespräsident gewichtig. Sonst hat er eben seine Bedeutung mit der Pflicht zur Kooperation, Repräsentant und Symbol der Legitimität des politischen Systems zu sein. Wenn von der Aufwertung des Bundespräsidenten gesprochen wird, ist das immer eine Kritik am Parteiensystem."

So stark wie Sarkozy?

Ein praktischer Grund für den Machtverzicht des Bundespräsidenten liegt auch in den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, sagen sowohl Peter Gerlich wie auch Ferdinand Karlhofer, Politikwissenschaftler an der Universität Innsbruck: Der Bundespräsident sei fast vergleichbar mit dem Staatspräsidenten in der französischen Verfassung." Und das ist ein sehr starker Präsident von den Kompetenzen her. Was sie unterscheidet, sind vor allem die materiellen Grundlagen. Präsident Sarkozy kann sich auf einen Mitarbeiterstab von weit über tausend stützen, der Bundespräsident vielleicht auf einige wenige Mitarbeiter."

"Nicht daran rütteln"

Im derzeitigen demokratischen System Österreichs wäre gar kein Platz für mehr Machtausübung des Bundespräsidenten, sagt der Politikwissenschaftler Anton Pelinka von der Universität Budapest: "Und ich glaube auch, dass es vernünftig ist, nicht daran zu rütteln. Weil sonst eine heillose Verstrickung von Ansprüchen der Bundesregierung den Ansprüchen des Bundespräsidenten gegenübersteht. Und wir dürfen nicht vergessen: Die Bundesregierung ist Ausdruck der Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat. Es geht also um den parlamentarischen Charakter des österreichischen Regierungssystems."

"Spiel mit leeren Worten"

Die Exekutivmacht in Österreich sei eindeutig bei der Bundesregierung gebündelt, die Forderung nach einer Aufwertung des Bundespräsidenten, sagt Pelinka, sei daher ein Spiel mit leeren Worten.