Ökonomen diskutieren Krisenfolgen
"Schuldenerlass unausweichlich"
Die Frage, ob Griechenland seine Kredite vollständig wieder zurückzahlen kann, spaltet auch die österreichischen Ökonomen. Auch wenn die Griechen sparen, werden sie irgendwann einen Schuldenerlass brauchen, sagt zum Beispiel ein Experte.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 14.05.2010
"Situation schaut besser aus"
Einen kritischen Seitenhieb auf Josef Ackermann kann sich Gunter Tichy von der Universität Graz nicht ganz verkneifen: "Das ist einer, der seinen Mund immer außerordentlich voll nimmt." Um dann Ackermann aber zumindest teilweise zuzustimmen. Natürlich müsse man jetzt sehen, ob Griechenland in der Lage ist, das Sparprogramm durchzuziehen, ohne dass es zu politischen Problemen kommt. Dann aber kommt das Aber: "Die Maßnahmen waren bisher durch die Bank richtig. Es ist immer ein Scheitern möglich, aber grundsätzlich schaut für mich die Situation jetzt besser aus noch vor ein bis zwei Monaten."
"Schuldenerlass vorbereiten"
Weniger optimistisch beurteilt Michael Böheim vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) die Lage Griechenlands. Seiner Meinung wird man nicht darum herumkommen, Griechenland einen Teil seiner Schulden zu erlassen. Die nächsten Jahre sollte man dazu nutzen, um einen solchen Schuldenerlass vorzubereiten: Denn mit all den Maßnahmen werde nur die Neuverschuldung zurückgefahren, der Schuldenstand bleibe aber. "Um einen Neuanfang zu ermöglichen, wäre es sinnvoll, mit einem niedrigen Schuldenstand zu beginnen und nicht von dann 140 Prozent des BIP", so Böheim.
"Reformdividenden" lukrieren
Sparen allein wird die Griechen also nicht retten, meint der WIFO-Experte. Sparen kann aber auch der europäischen Wirtschaft insgesamt schaden, meinen die Ökonomen. Nämlich, weil jetzt alle EU-Länder gleichzeitig den Gürtel enger schnallen, und das das ohnehin schwache Wirtschaftswachstum noch weiter dämpfen kann.
Um das zu vermeiden, kommt es sehr darauf an, wo man spart, sagt Michael Böheim. So müsste Österreich die Verwaltungsreform endlich in Angriff nehmen, dann könnten auch "Reformdividenden" genutzt und investiert werden.
Dämpfer für das Wirtschaftswachstum
Müssen sich die EU-Länder also davor in Acht nehmen, sich selbst kaputt zu sparen? Gunter Tichy von der Universität Graz sieht das nicht ganz so dramatisch. Denn von dem was an Sparmaßnahmen angekündigt wird, werde ohnehin nicht alles umgesetzt: "Die Pläne gehen sicher weiter als dann die Realisierung. Dass die Schulden zu rasch abgebaut werden und dadurch eine Rezession entsteht, fürchte ich eigentlich nicht." Aber, insgesamt wird sich Europa auch wegen der Sparmaßnahmen auf eine Periode des gedämpften Wirtschaftswachstums einstellen müssen, sagt der Ökonom der Uni Graz.