Unbequeme Ermittlungen gegen Franco-Diktatur?
Spanischer Star-Richter Garzon suspendiert
Heute wurde der spanische Richter Baltasar Garzon vom Dienst suspendiert. Garzon hatte sich durch die Strafverfolgung des chilenischen Ex-Dikators Augusto Pinochet international einen Namen gemacht. Jetzt wurde er wegen Ermittlungen gegen die spanische Franco-Diktatur angeklagt.
8. April 2017, 21:58
Abendjournal, 14.05.2010
Ende der Karriere als Richter
Der wegen seiner Ermittlungen zu Verbrechen im spanischen Bürgerkrieg angeklagte Richter Baltasar Garzon ist vom Dienst suspendiert worden. Die Entscheidung der Justizaufsichtsbehörde vom Freitag könnte für den 54-Jährigen das Ende seiner Karriere bedeuten. Der Oberste Gerichtshof hatte mit einem Beschluss am Vortag ein Gerichtsverfahren gegen den international bekannten Richter ermöglicht.
Beschwerde von rechtsgerichteten Gruppen
Die Entscheidung der Justizaufsichtsbehörde am Freitag fiel einstimmig. Garzon wird nach einer Beschwerde dreier rechtsgerichteter Gruppierungen vorgeworfen, mit seinen Ermittlungen eine 1977 vom Parlament beschlossene Amnestie für Verbrechen im Bürgerkrieg (1936-39) missachtet zu haben. Bei einem Schuldspruch muss er mit zehn bis 20 Jahren Berufsverbot rechnen. Sein Anwalt hatte vor einigen Wochen erklärt, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens sei eine Suspendierung faktisch das Ende seiner Karriere.
Erstmals Ermittlungen zu dunkler Vergangenheit Spaniens
Garzons Ermittlungen drehten sich vor allem um den Tod Zehntausender Zivilpersonen, die von Anhängern des Generals Francisco Franco, dem späteren Diktator, ermordet worden sein sollen. Es waren die ersten offiziellen Ermittlungen zu einer Epoche der spanischen Geschichte, die auch heute noch mit Tabus belegt ist.
Lautstarke Unterstützung für Garzon
Ein Prozesstermin steht noch nicht fest. Garzon ist seit knapp 30 Jahren Richter. Seit 1988 arbeitete er am Nationalen Gerichtshof in Madrid, der für besonders schwere Straftaten wie Terrorismus zuständig ist. Mit Tränen in den Augen verließ Garzon am Freitag das Gebäude, Kollegen und Unterstützer umarmten ihn. "Das Volk ist mit dir", skandierten Angehörige der Diktatur-Opfer. "Ich bin unschuldig", hatte er noch Stunden zuvor betont.
Staatsanwaltschaft war gegen Angklageerhebung
Die Staatsanwaltschaft war dagegen, Garzon auf die Anklagebank zu setzen. Dessen ungeachtet leitete der zuständige Untersuchungsrichter am Obersten Gerichtshof, Luciano Varela, den Prozess gegen seinen Kollegen ein. Er wirft ihm vor, mit seinen Ermittlungen zum Franco-Regime gegen das Amnestie-Gesetz von 1977 verstoßen und bewusst seine Kompetenzen überschritten zu haben.
Einspruch abgeblitzt
Um die Suspendierung zu vermeiden, hatte Garzons Anwalt am Freitag in letzter Minute einen neuen Einspruch gegen das Verfahren eingereicht. Dies brachte die 18 Mitglieder des obersten Richtergremiums aber nicht davon ab, ihn zu suspendieren. Garzon hatte davor zudem versucht, seine Versetzung zum Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu erreichen.
Vergangenheitsbewältigung spaltet Spanien
Garzon hatte 1998 die Festnahme des chilenischen Ex-Diktators Augusto Pinochet erwirkt und sich damit weltweit einen Namen als "Tyrannenjäger" gemacht. Das Verfahren gegen den Richter spaltet die Spanier in zwei Lager. Rechtsgerichtete und konservative Kräfte begrüßten das Vorgehen der Justiz. Dagegen sieht die Linke darin ein "Kesseltreiben" gegen einen Juristen, der sich an das heikle Thema der Vergangenheitsbewältigung herangewagt hat. Auch Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch ergriffen Partei für den Richter. (Text: Red., APA)