Der neue Roman von John Irving
Letzte Nacht in Twisted River
In 30 Sprachen sind John Irvings Bücher übersetzt. Nach dem autobiografischen Roman "Bis ich dich finde" (2005) kommt in diesen Tagen das jüngste Werk des 68-Jährigen in die Buchhandlungen: "Letzte Nacht in Twisted River".
8. April 2017, 21:58
Kultur aktuell, 18.05.2010
Bären, groteske tödliche Unfälle und furzende Hunde kehren in den Romanen von John Irving immer wieder. Mit Bestsellern wie "Garp und wie er die Welt sah", "Hotel New Hampshire" und "Gottes Werk und Teufels Beitrag" ist der US-amerikanische Autor weltweit bekanntgeworden. Auch in "Letzte Nacht in Twisted River" geht es um Bären und groteske tödliche Unfälle, und furzende Hunde treten nebenbei auch auf.
Tellerwäscherin erschlagen
Nein, es war keine Bärenattacke, sondern eine Beischlafszene, aber es war so dunkel, dass der 12-jährige Danny glaubte, seinen Vater vor dem wilden Tier retten zu müssen. Und so hat er wirklich ganz unabsichtlich die indianische Tellerwäscherin mit einer gusseisernen Bratpfanne erschlagen. Der Vater arbeitete als Koch in Twisted River, einem Holzfällercamp in den Wäldern von New Hampshire und die indianische Tellerwäscherin war auch die Geliebte des brutalen Dorfpolizisten - ein Grund mehr für Vater und Sohn, die Flucht zu ergreifen, eine Flucht, die 50 Jahre dauern wird. Am Anfang war der letzte Satz, erzählt John Irving.
"Er hatte das Gefühl, dass das große Abenteuer seines Lebens erst begann - so musste sich sein Vater gefühlt haben, in den Nöten und Qualen seiner letzten Nacht in Twisted River", liest man in der deutschen Übersetzung auf Seite 730. Bis dahin ist man dem Koch und seinem Sohn über sechs Stationen gefolgt von New Hampshire anno 1954 bis nach Kanada 2005 - kreuz und quer durch den Kontinent und seine Geschichte: Vietnamkrieg, Hippie-Bewegung, Bush-Ära, 09/11 und Irakkrieg. Um Gewalt, die Gewalt erzeugt sei es ihm gegangen, sagt John Irving.
Die Unausweichlichkeit der Gewalt
"Das Modell für die Unausweichlichkeit der Gewalt haben für mich die griechischen Tragödien. Wenn etwa Ödipus seinen Vater ermordet und mit seiner Mutter schläft, wissen wir: das kann nicht gut ausgehen. Ich mag diese Art von Vorahnung. Der Leser weiß was passieren wird, er weiß nur nicht wann und wie", erklärt Irving.
Von der Struktur her sei es sein schwierigstes Buch gewesen, sagt John Irving, rund 20 Jahre lang habe er die Idee mit sich herumgetragen: "Ich wusste, dass es einen Koch gibt und seinen Sohn und ich wusste, dass dieser Sohn später ein Autor werden sollte und dass irgendwelche Probleme, Defizite oder Konflikte dazu führen sollten, dass er lieber in der Fantasie lebt als in der Wirklichkeit."
Ängste und Schicksalsschläge
"Letzte Nacht in Twisted River" - das ist auch ein Buch über das Geschichtenerfinden und Schreiben. Mit seinem vierten Roman gelingt Danny der internationale Durchbruch, die Verfilmung eines seiner Bücher wird mit dem Oscar ausgezeichnet und auch sonst hat er so manches mit seinem Erfinder gemein.
"Das wahrhaft Autobiografische in meinem Buch sind die Ängste", verrät er Autor. "Die Angst, einen geliebten Menschen zu verlieren. Danny hat viele Schicksalsschläge zu verkraften, alles wovor er sich fürchtet, passiert ihm auch. Bis zu einem gewissen Grad schreibe ich da über meine Ängste und glaube, dass ich sie damit loswerde. Aber das ist jetzt schon mein zwölfter Roman - offenbar funktioniert das nicht."
Exzentrische Figuren
Was sehr wohl funktioniert ist der Roman selbst - einmal mehr hat John Irving exzentrische Figuren, skurrile Grausamkeiten und bizarre Momentaufnahmen mit Humor versetzt und zu einem großen Ganzen arrangiert. Selbst die Episoden, die die Geschichte nicht wesentlich voranbringen, sind kurzweilig, es ist - trotz Längen - ein spannendes, berührendes und vor allem - ein turbulentes Buch. Ein echter John Irving.
Service
John Irving, "Letzte Nacht in Twisted River", übersetzt von Hans M. Herzog, Diogenes Verlag
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