Die äthiopisch-orthodoxe Kirche

An der Wiege des Christentums

Die äthiopisch-orthodoxe Tewahedo-Kirche gilt als einzige bis heute bestehende vorkoloniale christliche Kirche Afrikas. Die Zeugnisse ihrer Geschichte gehen bis in vor- und frühchristliche Zeit zurück. Mit rund 50 Millionen Gläubigen ist sie die größte aus der Familie der orientalisch-orthodoxen Kirchen.

Vor 800 Jahren herrschte in Äthiopien König Lalibela über die alte Stadt Roha. Gott zeigte ihm im Traum die Heiligtümer des Heiligen Landes und befahl ihm, in Roha ein zweites Jerusalem zu bauen. Also ließ König Lalibela einige Kirchen in den weichen Tuffstein hauen.

Weil das alles zu seinen Lebzeiten gar nicht fertig geworden wäre, bauten des Nachts die Engel weiter an den Kirchen. So die Legende von der Entstehung der berühmten Felsenkirchen im äthiopischen Lalibela.

Christologische Streitigkeiten

Die Äthiopisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche ist reich an Traditionen und Legenden. Mit rund 45 Millionen Gläubigen in Äthiopien und rund 5 Millionen außerhalb des Landes ist sie die größte aus der Familie der orientalisch-orthodoxen Kirchen.

Sie gehört zu einer Reihe christlicher Kirchen, die im Zuge der christologischen Streitigkeiten des 5. Jahrhunderts eigene Wege gegangen sind. Die Äthiopisch-Orthodoxen gehören zur Gruppe der "Miaphysiten", nach deren Lehre in Christus die menschliche und die göttliche Natur eine Einheit bilden.

Christen und Muslime

Der Anteil der orthodoxen Christen an der äthiopischen Bevölkerung beträgt heute zwischen 40 und 55 Prozent - es gibt hier stark divergierende Zahlen. Fast die Hälfte der Bevölkerung ist muslimisch.

Eine kleine Minderheit sind Protestanten und Katholiken, die kleine Gruppe äthiopischer Juden ist mittlerweile fast komplett nach Israel ausgewandert.

Verwurzelt im Judentum

Das äthiopische Christentum ist tief im Judentum verwurzelt: Seien es nun alttestamentliche Speise- und Fastenvorschriften oder die besondere Bedeutung der jüdischen Bundeslade, die nach äthiopischer Überlieferung vom gemeinsamen Sohn von König Salomon und der äthiopischen Königin von Saba ins äthiopische Aksum gebracht wurde.

Aufbewahrt wird das Original der Bundeslade, so die äthiopische Überlieferung, nun in der alten Kathedrale aus dem 17. Jahrhundert. Verborgen vor der Welt, wird sie von einem einzigen Mönch sein Leben lang bewacht.

Zwischen Tradition und Moderne

Tradition und Moderne - zwischen diesen Polen versucht die äthiopisch-orthodoxe Kirche, ihren Kurs zu finden. Viele äthiopische Jugendliche wie der 17jährige Gabie aus Aksum sind fest in ihrer religiösen Tradition beheimatet.

Von jugendlicher Rebellion und den Verlockungen der Moderne halte er nicht viel, erklärt er: "Ich bin ein Strenggläubiger, der ganz perfekt an die Lehren seiner Religion glaubt und versucht, all ihren Regeln und Geboten zu folgen." Es sei schließlich die Religion seiner Vorfahren, die von Generation zu Generation weitergegeben werde.

Neue Zeit

Doch die neue Zeit macht auch vor den Toren Äthiopiens nicht halt: Vor allem die städtischen Jugendlichen in Addis Abeba wachsen heute vielfach ganz selbstverständlich mit Internet und MTV auf. Amerikanische Sitcoms prägen oft stärker ihre Weltsicht als die eigene traditionsreiche Geschichte.

Eine Entwicklung, vor der auch die äthiopisch-orthodoxe Kirche nicht die Augen verschließen kann. Es gelte zu unterscheiden, welche Traditionen behalten, und was reformiert werden sollte, meint der Generalvikar von Addis Abeba, Fantahun Muche Assefa.

Generalvikar sieht Reformbedarf

Reformbedarf sieht Assefa etwa in der pastoralen Arbeit und dem sozialen Engagement seiner Kirche, das verstärkt werden sollte.

Und im Kampf gegen die Genitalverstümmelung von Mädchen, die in der Vergangenheit immer wieder auch religiös begründet wurde. Auch wenn es dafür keinerlei Beleg in der Bibel gibt.

Kirche mit großer Symbolik

Als einzige bis heute bestehende vorkoloniale christliche Kirche Afrikas hat die Äthiopisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche für viele christliche Afrikaner und deren Nachfahren in aller Welt eine besondere symbolische Bedeutung: Sie gibt Zeugnis von der langen religiösen und kulturellen Geschichte des Kontinents.

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