Neues Projekt des Rimini-Protokoll
"100 Prozent Wien"
Eine ziemlich ungewöhnliche Theaterperformance gab es gestern Abend bei den Wiener Festwochen. Denn auf der Bühne der Halle E im Museumsquartier standen nicht Schauspieler, sondern 100 Wiener.
8. April 2017, 21:58
Das Projekt der bekannten deutschen Theatertruppe Rimini-Protokoll heißt denn auch "100 Prozent Wien".
Was man bei den Aufführungen von Rimini-Protokoll erwartet, das weiß man nie so genau, ob wie im letzten Jahr das Kapital von Karl Marx auf amüsante Weise gelesen oder interpretiert wird oder wie heuer bei den Festwochen eine statistische Kettenreaktion gezündet wird, die Wien abbilden soll.
Auf einer sich drehenden grünende Scheibe stellen sich die 100 Wiener und Wienerinnen dann gegenseitig vor, Pensionisten und Kinder, der Diplomat und die Elektrikerin, die Schülerin und die Lehrerin.
Kultur aktuell, 28.05.2010
Interessante und überraschende Antworten
Fragen wie: "Werden Sie in Wien zur Wahl gehen?", oder "Sind sie verliebt?", "Haben Sie eine Waffe zu Hause?" oder "Werden Sie in zehn Jahren noch leben?", und die Menschen gehen je nach Antwort "Ja" oder "Nein" auf die eine oder die andere Seite, oder Sie heben ein grünes oder weißes Schild.
Die Antworten, die sich in dem Menschenklumpen widerspiegeln oder im runden Videoschirm als grün weiße Spielfläche, sind oft überraschend und interessant.
Der Einzelne und die Gesellschaft
Helgard Haug, Daniel Wetzel und Stefan Kaegi, die drei Macher von Rimini -Protokoll, die eine ähnliche Performance schon in Berlin durchgeführt haben.
"Wie kann man, und das ist ein bisschen das Prinzip des Stücks, bestimmte Mehrheitsverhältnisse darstellen. Statistik ist so etwas wie ein Mittel, das wir ironisch beleuchten. Die Bevölkerung, in dem Fall einer Stadt, da steht jetzt nicht einer und spielt sich, sonder da stehen Hundert und spielen jeweils sich. Aber jeder von denen steht für 18.000 Wiener, die er in irgendeiner Form repräsentiert. Es sind oft Experten des Alltags, das heißt Menschen, die etwas zu erzählen haben, sie sprechen nicht Text von irgendwelchen Schriftstellern, sonder ihr Leben ist erst einmal die Matrix aus der sie schöpfen."
Rimini Protokoll wird oft als postdramatisches, dokumentarisches oder soziales Theater bezeichnet. Bei 100 Prozent Wien geht es wie so oft bei dieser Gruppe um das Verhältnis von Einzelner und Gesellschaft.
Wenn 100 Prozent Wien vielleicht auch nicht zu den stärksten Arbeiten von Rimini-Protokoll gehört, das Publikum fand die typisch wienerische, etwas ungenaue Selbstdarstellung der Stadt wohl sympathisch und applaudierte sich am Schluss wohl auch gleichsam selbst zu.