Und keiner weiß, warum
"Super-Horst" geht
Am 23. Mai 2004, vor sechs Jahren und acht Tagen, wurde der Banker und ehemalige geschäftsführende Direktor des Internationalen Währungsfonds Heinz Köhler zum neunten Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt.
8. April 2017, 21:58
Nominiert hatten ihn damals CDU, CSU und die FDP. Am 23. Mai letzten Jahres wurde "Super-Horst" wiedergewählt. Heute Mittag trat er zurück. Das hatte vor ihm noch kein Bundespräsident Deutschland gemacht.
Aber was, so rätselt man in Berlin, ist der Grund für seinen plötzlichen und völlig überraschenden Rücktritt? Die von ihm selbst genannten Begründungen werden von Berlin-Insidern als vorgeschoben empfunden. Kurzer Rückblick: Am 22. Mai hatte Köhler während des Rückflugs von einer Afghanistan-Visite in einem Interview gesagt, "dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren ..."
Die Kritik der Opposition folgte umgehend: Köhler befürworte Bundeswehreinsätze jenseits des Grundgesetzes - wie jenen in Afghanistan. So sei es nicht gemeint gewesen, ließ Köhler erklären. Seine Aussage hätte sich vielmehr auf Einsätze gegen Piraten am Horn von Afrika wie zum Beispiel durch die "Operation Atalanta", nicht jedoch auf den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr bezogen.
Die deutsche Öffentlichkeit nahm's zur Kenntnis. Aber Köhler, der in der Berliner Polit-Szene als dünnhäutig bekannt ist, konnte die Attacken gegen seine Person offenbar nicht verschmerzen. Sie entbehrten jeder Rechtfertigung, so Köhler. Mit Tränen in den Augen erklärte er seinen Rücktritt.
Haben wir es hier mit einem weiteren Beispiel deutscher Integrität zu tun wie erst vor kurzem im Fall der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschlands, der Bischöfin Margot Käßmann? Käßmann war wegen Alkohol am Steuer am 24. Februar dieses Jahres zurückgetreten. Aber schon vorher war sie im Kreuzfeuer der Kritik gestanden, weil sie den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan heftig kritisiert hatte.
Zurück zu Köhler: Hatte er vielleicht einfach genug vom Politiker-Dasein, zumal seine Popularität in den letzten Monaten gesunken war? Der Bundespräsident sei zu passiv, war ihm immer wieder vorgeworfen worden, er müsse aktiver werden. Und: es mehrten sich kritische Töne bezüglich seiner Personalpolitik im Bundespräsidialamt. Mitarbeiter/innen verließen ihn, wechselten in die Privatwirtschaft oder in andere politische Aufgaben. Dazu kommt, dass die Aufregungen über Köhlers offensichtlich missverstandene Aussagen zur deutschen Außenpolitik von den Parteifreunden in der Union gar nicht geschätzt wurden: Er sei den Soldaten in Afghanistan damit in den Rücken gefallen.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel ist seit Wochen in der Krise. Wird Köhlers Rücktritt diese noch vergrößern, oder gibt er der Kanzlerin etwa gar die Möglichkeit, den gesundheitlich angeschlagenen und sich mit Image-Problemen herumschlagenden Finanzminister Schäuble zu Köhlers Nachfolger zu machen?
Auch der zurückgetretene nordrhein-westfälische Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) braucht eine neue Aufgabe. Oder gibt es doch eine Verbindung zwischen Margot Käßmann und Heinz Köhler? Ist ihm wie ihr Afghanistan zum Fallstrick geworden? Allein durch die Tatsache, dass durch seine Äußerungen - missverstanden oder nicht - die deutsche Öffentlichkeit wieder einmal Kritik am Einsatz der Bundeswehrsoldaten am Hindukusch üben konnten? Eines Tages werden wir es wohl erfahren.