Literarischer Schauplatz Schloss Wasserburg
Im Schatten Hölderlins
Ein geschichtsträchtiger Ort ist das Schloss Wasserburg bei Pottenbrunn. Diesen Ort kann man für Feste und andere Veranstaltungen mieten, hier ist ein renommiertes Zentrum für Yoga-Workshops beheimatet, und er ist der Schauplatz des kürzlich erschienenen Romans "Die Schatten Hölderlins".
8. April 2017, 21:58
Wer die Autobahn A1 bei km 55,5 verlässt und auf einer schmalen Nebenstraße nach Norden fährt, erreicht innerhalb weniger Minuten das hinter Pottenbrunn und seinem Gemeindewald gelegene Schloß Wasserburg. Im dreizehnten Jahrhundert erstmals erwähnt als trutzige Turmhügelburg inmitten dicht bewaldeter Hügel im unsicheren Grenzland. Später feudaler Herrschaftssitz einer prosperierenden Grafschaft. Wechselnde Besitzer, wechselhafte Schicksale...
So beginnt der Roman "Die Schatten Hölderlins". Folgt man den Anweisungen im Buch, gelangt man tatsächlich zu einem barocken Schloss in Schönbrunnergelb, das - umgeben von einem Teich - inmitten einer prächtigen Parklandschaft liegt.
Ein geschichtsträchtiger Ort ist dieses Schloss Wasserburg bei Pottenbrunn und: ein Ort mit Gegenwart. Es befindet sich seit vier Generationen im Besitz der Familie Seilern, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das ehrwürdige Gebäude zu erhalten. Vor einigen Jahren wurde der gesamte Bau generalsaniert, die umliegenden Ländereien sind teilweise verpachtet und werden nach wie vor bewirtschaftet. Pferde tummeln sich in den Koppeln nicht weit vom Schloss.
Man kann übrigens auch das ganze Schloss mieten: Unter dem Motto "Rent a Castle" stellt die Familie Seilern ihr komplettes Schloss samt Koch und Personal zur Verfügung. Im Zuge von Dreharbeiten, die ihn vor einigen Jahren auf Schloss Wasserburg führten, ließ sich der Autor und Regisseur Jürgen Kaizik von diesem Ambiente zu seinem historischen Kriminalroman "Die Schatten Hölderlins" inspirieren. Vor kurzem ist der Roman im Verlag Braumüller erschienen.
Wechselhafte Geschichte
Das imposante Gebäude hat im Lauf der Jahrhunderte viele Veränderungen und Umgestaltungen erfahren. Die wechselnden Besitzer sind in Chroniken verzeichnet. Älteste Nachrichten von dem Ministerialengeschlecht der Herren von Wasserburg finden sich in einer Urkunde aus dem Jahr 1185, in der ein Dietmar von Wasserberg genannt wird. Ein weiterer wichtiger Vertreter aus diesem Geschlecht war zu Beginn des 13. Jahrhunderts Heinrich von Wasserberg, der Schwager des Minnesängers Ulrich von Lichtenstein.
Kurze Zeit später gelangte das Schloss durch Heirat in den Besitz der Puchberger. Durch eine Urkunde vom 24. Juni 1364 hat man Kenntnis davon, dass ein Stephan von Toppel Besitzer von Wasserburg wurde. 1515 verkaufte einer seiner Nachfahren - Christoph von Toppel - neben einigen anderen Besitzungen auch Wasserburg an Christoph von Zinzendorf. Fast 400 Jahre hindurch blieb Wasserburg der Familiensitz der Zinzendorf. Soweit die Schlossgeschichte.
Ein magischer Ort
Schloss Wasserburg erreichte ich weit vor der Mittagsstunde. (...) Von meinem kleinen Hügel übersah ich das Schloss und seine Umgebung. Im schrägen, scharfen Herbstlicht lag alles wie ausgeschnitten. Ich weiß nicht, ob ich Angenehmeres je gesehen habe. Unser Herr im Himmel hat die Menschen auf seine Erde gesetzt, damit beide sich ihm zum Ruhme aneinander vollenden. Das konnte ich jetzt und hier mit meinen Augen überdeutlich erkennen. Die Landschaft ist wie geschaffen gerade für diesen schönen Bau. Sie antworten aufeinander wie Strophe und Gegenstrophe in unseren Gesängen. Natur und Kunst sind die beiden Seiten unserer Seele.
Das sind die ersten Eindrücke des jungen Mönches Heinrich, als er im Roman "Die Schatten Hölderlins" das Schloss Wasserburg, vermutlich vom Grasberg aus, erblickt. Der junge Mann wird in geheimer Mission mit einer Botschaft ins Schloss geschickt. Die Geschichte, die Jürgen Kaizik im zu Ende gehenden Zeitalter der Aufklärung angesiedelt hat, ist frei erfunden.
Der Mönch Heinrich gerät auf Schloss Wasserburg in einen Strudel aus Verbrechen, Intrigen und zwischenmenschlichen Abgründen. Der Schauplatz, im Roman sehr genau beschrieben, existiert immer noch. Für den Autor Jürgen Kaizik hat er eine ganz besondere Magie:
"Ich überquerte die Brücke, die über das schwarze Wasser in den Innenhof führt. Der untere Teil der Fassade lag noch im Schatten, während das ganze erste Stockwerk und das Dach in der Sonne glänzten: Das Schloss sah mich an wie ein Gesicht, vor dessen Mund jemand die Hand hält."
Alltag im Schloss
Seit 1923 ist Schloss Wasserburg im Besitz der Familie Seilern. Carl Hugo Graf Seilern kaufte das Gut Wasserburg, in dem vorübergehend ein Erholungsheim für Soldaten untergebracht war. Hugo Graf Seilern war ein Pferdenarr und verliebte sich in das versteckte Schloss in der Nähe von Pottenbrunn. Er verließ seine damalige Heimat England und zog auf dem Gut eine – nicht gerade gewinnbringende - Pferdezucht auf, erzählt sein heute 24-jähriger Urenkel Philipp - Flippo - Seilern.
Flippo, der Zweitgeborene der heutigen Besitzer Maido und Leopold Seilern, führt durch das Schloss. Um einen kleinen Innenhof sind die perfekt renovierten und elegant gestalteten Zimmer, Salons und Säle angelegt. Stuckdecken, Parkettböden, Fresken, englisches Mobiliar – alles stammt noch vom Urgroßvater Hugo Graf Seilern.
Viel zu selten werden die stilvollen Räume genützt, bedauert Flippo Seilern, die Familie sei zurzeit ziemlich verstreut: sein älterer Bruder und eine Schwester leben in London, er selbst wird ab Herbst in Berlin sein Psychologie-Studium fortsetzen. Nur die Eltern und die kleine Schwester halten im Schloss die Stellung. Einige Wochen im Jahr allerdings ziehen auch sie aus, dann nämlich, wenn das gesamte Schloss Wasserburg vermietet wird.
Rent a Castle
Die Geschäftsidee des "Rent a castle" hilft der Familie, die enormen Instandhaltungskosten für das altehrwürdige Gebäude zu erwirtschaften. Flippo Seilern ist nicht nur manchmal als Butler und Fremdenführer für die illustren Gäste tätig, er hilft auch mit, das Gebäude für die Sommersaison wieder in Schuss zu bringen. Wasserschäden müssen beseitigt, die Fenster verkittet werden. Einige der Räume benötigen einen neuen Anstrich. Die ersten Gäste werden in Kürze erwartet.
19 Personen und bei Bedarf auch etwas mehr können für mindestens eine Woche Schloss Wasserburg bewohnen. Pauschalpreis inklusive Koch und Zimmermädchen: rund 13.000 Euro. Die Zimmer und Salons sind nicht durchnummeriert, sondern tragen Namen: Afrika-Zimmer, Roter Salon, Chinesen-Zimmer, Peter-Zimmer, Maus-Zimmer... Jeder Raum hat seine Geschichte und diese weiß man auf Schloss Wasserburg durchaus zu pflegen. Die Geschichte ist das Kapital.
In der Gegenwart lebt man: Leopold Seilern verwaltet seit mehr als 20 Jahren das Schloss und den Gutsbetrieb, verpachtet die Felder und Jagden und kümmert sich um die schlosseigene Fischzucht, sowie um das kleine private Kraftwerk an der Traisen, das schon Hugo Graf Seilern in den 1930er Jahren erbauen ließ. Ohne dieses familieneigene Kraftwerk, meint Flippo Seilern, wäre die Energieversorgung des Schlosses unbezahlbar. Auch der Wasserbedarf kann durch eine eigene Quelle gedeckt werden.
Vaters Schreibtisch steht im sogenannten Daniel-Gran-Zimmer, in einem Raum mit prächtigen Fresken des bedeutendsten österreichischen Barockmalers. Maido Seilern, die als 19-Jährige nach Schloss Wasserburg kam, hat das Afrika-Zimmer gestaltet und einigen anderen Räumen ihren persönlichen Ausdruck verliehen. Sie veranstaltet mit internationalen Lehrern auf Schloss Wasserburg Yoga-Workshops, die in einem hellen 80 Quadratmeter großen Barocksaal mit Tonnengewölbe und alten Parkettböden stattfinden.
Im Sommer kann Yoga auch im Schlosspark praktiziert werden. Außerdem hat die Schlossherrin ein Hilfsprojekt in Indien initiiert, kreiert Mode aus indischen Stoffen und verkauft diese auf Märkten in Österreich. Mit dem Erlös wird in Indien elternlosen Kindern eine Schulbildung ermöglicht. Kajo Seilern, der Erstgeborene, wird später die wirtschaftliche Leitung von Schloss Wasserburg übernehmen, Flippo, der Zweitgeborene, wird nach Beendigung seines Studiums mit psychisch Kranken arbeiten. Er hofft, dass es auch künftig seiner Familie gelingt, Schloss Wasserburg zu erhalten.
Service
Buch Jürgen Kaizik, "Die Schatten Hölderlins", Braumüller Verlag
Schloss Wasserburg
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