Wirkung von Selbstbehalten umstritten
Vorsorgemodell: Experten uneins
Versicherte, die sich an einem Programm zur Gesundheitsvorsorge beteiligen, sollen künftig weniger Selbstbehalt zahlen müssen. Das ist Teil eines Vertrags, auf den sich die Sozialversicherung der Selbständigen und Gewerbetreibenden sowie Ärztekammer geeinigt und damit den vertragslosen Zustand beendet haben. Gesundheitsökonomen beurteilen das Modell höchst unterschiedlich.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 11.06.2010
Kleinerer Selbstbehalt
Die Details sind noch offen, aber die Grundidee des Modells, das ab 2011 getestet werden soll, ist die: Wer sich mit dem Arzt auf bestimmte Ziele einigt, wie zum Beispiel abzunehmen oder die Cholesterin-Werte zu senken, und diese Ziele auch erreicht, der soll künftig beim Arztbesuch statt 20 Prozent Selbstbehalt nur mehr den halben, also 10 Prozent zahlen müssen.
Wirkung nicht bewiesen
Was auf den ersten Blick wie ein bestechend gutes Anreizmodell zur Gesundheitsvorsorge aussieht, ist es nicht, sagt der Gesundheitsökonom Franz Piribauer, der auch auf Vorsorge spezialisiert ist. Das Modell werde nicht funktionieren. Denn in Österreich seien die Selbstbehalte relativ niedrig und daher als Steuerungsinstrument nicht geeignet, so Piribauer. Als Beleg führt er an, dass jene Kassen, die Selbstbehalte verlangen, ein vernünftigeres Verhalten ihrer Versicherten verzeichnen müssten als die anderen, was aber nicht bewiesen worden sei. Patienten, die Selbstbehalt zahlen müssen, leben also nicht gesünder, um weniger oft zum Arzt zu gehen und damit weniger zahlen zu müssen.
"Psychologische Beruhigungspille"
Außerdem wäre das Modell unfair, so Piribauer. Denn belohnt würden jene, die vorher ungesund gelebt haben. Wer gesund ist und immer schon gesund gelebt hat, bekommt nichts. Dass das Modell eine bessere Gesundheitsvorsorge bringt, zweifelt Gesundheitsökonom Franz Piribauer also an. Er vermutet eher eine psychologische Beruhigungspille.
Kombination ist "Spitze"
Anders sieht das Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer, der allerdings betont, die Details des Modells noch nicht zu kennen. Anreize für die Patienten zu schaffen, damit sie gesünder leben, hält Pichlbauer aber prinzipiell für eine gute Idee: "Die Vorsorgeuntersuchungen mit definierten Zielen und Anreizsystemen auszustatten ist Spitze."
Weniger Kosten und Leid
Denn langfristig könnten so Kosten im Gesundheitsbereich gesenkt werden, sagt Pichlbauer. Gibt es Anreize und genaue Ziele für die Patienten, könne man davon ausgehen, dass sich die Lebenssituation für viele verbessere: "Das führt in den nächsten 15 bis 20 Jahren zu einem höheren Gesundheitslevel und damit auch zu einer Reduktion der Krankheitskosten und auch des Krankheitsleids."
Malus einführen
Das Anreizmodell ließe sich auch auf Versicherte der Gebietskrankenkassen umlegen, die ja keinen Selbstbehalt zahlen. Dann müsste es eben nicht ein Bonus-, sondern ein Malus-System sein, so Ernest Pichlbauer. Für den, der die Gesundheitsziele nicht erreicht, müsste dann ein Selbstbehalt eingeführt werden, so Pichlbauers Vorschlag.