Warnungen werden offenbar befolgt

Kriminalität doch nicht so schlimm?

Zwischen 300.000 und 500.000 Touristen erwartet Südafrika während der vier Wochen, die die Fußballweltmeisterschaft dauert. Glaubt man internationalen Medien, so ist jeder Einzelne ein gutes Ziel für die mehr oder weniger organisierte Kriminalität in Südafrika. Tatsächlich ist bis jetzt erstaunlich wenig passiert.

Mittagsjournal, 16.06.2010

Gewaltwelle blieb aus

Einige Journalisten wurden ausgeraubt, Computer und Geld gestohlen, aber die in den Medien befürchtete große Anzahl an gefährlichen Überfällen blieb bisher aus. Möglicherweise, weil die Touristen und Fans die Gefahrenhinweise beachten, möglicherweise auch, weil die meisten Verbrechen in Südafrika an bestimmten Brennpunkten begangen werden.

"Bestimmte Gebiete"

Colonel Vish Naidoo, Sprecher der Südafrikanischen Polizei, gibt auch unumwunden zu, dass es vor allem in bestimmten Gebieten Kriminalität gibt, die der Polizei sehr zu schaffen macht. Diese bestimmten Gebiete sind vor allem die Townships und "informelle Siedlungen", also jene Wellblechhütten-Anhäufungen, in denen die sozial und ökonomisch schwächste Schicht haust und auf ein besseres Leben hofft.

Verbindungsleute in den Townships

Die Polizei hat dort oft wenig zu sagen, baut aber darauf, dass jetzt Verbindungsoffiziere in diesen Vierteln arbeiten, die bei der Identifizierung von Tätern vor allem im Familienkreis helfen, wo die meiste Kriminalität stattfindet – vor allem Mord und Vergewaltigung. Denn nur wer sich in dem Gewirr der Hütten gut auskennt, hat überhaupt eine Chance, Verbrechen zu bekämpfen. Die fehlenden Hausnummern sind da noch das kleinste Problem.

Zentren der Kriminalität

Naidoo verweist aber auch darauf, dass seit 2005 55.000 zusätzliche Polizisten dauerhaft rekrutiert wurden, und dass bei 169 von mehr als 1.100 Polizeistationen die Hälfte der Verbrechen gegen Leib und Leben registriert wird. Es gibt also Zentren der Kriminalität, und die, sagt Naaidoo, sollten Touristen und Fans ebenso meiden, wie Einheimische.

Streng gesicherte Viertel

Und doch sieht man auch in den guten Vierteln der Städte auffällig oft hohe Mauern mit Stacheldraht oder elektrisch geladene Zäune um Häuer, ganze Viertel, die abgeriegelt sind, Wachen an den Toren und Patrouillen haben. Margie wohnt in so einem "Soziotop". Hier ist alles ruhig, freundlich, nett und adrett. Hergezogen ist sie mit ihrer Familie, weil sie vor rund zwei Jahren überfallen wurde. 17 Freunde, die im Keller mit ihren Kindern gerade eine Party feierten, Margie, ihr Mann und ihre Mutter wurden von drei Männern, die um Mitternacht in das Haus eindrangen, mit Pistolen bedroht, gefesselt und eingesperrt, – drei qualvolle Stunden lang, während das Haus buchstäblich ausgeplündert wurde: "Das ist ein furchtbar traumatisches Erlebnis, das man immer wieder vor sich ablaufen sieht: der Geruch, die Gesichter, die Emotionen, es ist furchtbar. Die Kinder haben psychologische Betreuung gebraucht, aber man muss darüber hinwegkommen."

"Man weiß, wo man hingehen kann"

Glück im Unglück hatte die Familie, weil niemand verletzt wurde. Danach ist sie weggezogen, in ein noch sichereres Haus, denn auch dort, wo sie – typisch für Südafrika – überfallen wurden, als sie zu Hause im Bett lagen, hatten sie Zäune und Stacheldraht. Jetzt haben sie auch Wächter. Das alltägliche Leben empfindet Margie dennoch nicht als unsicher. "Man weiß, wie man sich wo verhalten muss, und wo man hingen kann", ergänzt sie.

"Immerhin geben wir das Problem zu"

Polizeicolonel Vish Naidoo wird heftig, wenn man ihn nach einem Vergleich mit anderen Ländern fragt: "Wir sind doch wenigstens eines der wenigen Länder, die ihr Kriminalitätsproblem zugeben." Wenig später aber sagt er dann: "Ich hoffe, dass ich es noch erlebe, dass ein junges Mädchen bedenkenlos und ungefährdet spät abends alleine von einer Party mitten in Johannesburg nach Hause gehen kann." Unausgesprochen bleibt: Derzeit würde er das niemandem empfehlen.

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