Nach dem Tod Hans Dichands

"Kronen Zeitung" sucht neue Wege

Der verstorbene Medienzar Hans Dichand war eine der prägendsten Persönlichkeiten der Zweiten Republik, der bei der "Kronen Zeitung" eine riesige Lücke hinterlässt. Noch ist völlig unklar, wie und von wem sie gefüllt werden wird.

Morgenjournal, 18.06.2010

Machtmensch Dichand

Für die einen war Hans Dichand der genialste Zeitungsmacher, der es schaffte, die Politik im Griff zu haben, für die anderen war er ein verhasster Manipulator nicht nur der Politik sondern auch und vor allem der Volksmeinung.

Fest steht: kalt gelassen hat Hans Dichand niemanden.

Größte Zeitung der Welt

Fast jeder zweite Österreicher liest die "Kronen Zeitung". Angesichts dieser Reichweite im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ist die Krone eine der größten Zeitungen der Welt. Politiker, die eine Botschaft an die Öffentlichkeit bringen wollen, beziehen dieses Kalkül in ihre Überlegungen mit ein. Allein dadurch ist die "Krone" ein Machtfaktor.

Und auch wenn Hans Dichand einmal augenzwinkernd meinte: Lieber streichle ich meinen Hund, als Macht auszuüben, so wusste er stets um das Gewicht der "Krone", die er gern als Volkszeitung bezeichnete.

Er erteilte Ordnungsrufe an Politiker, hätschelte seine Lieblinge, ließ andere in Grund und Boden schreiben. In der Bar eines Wiener Hotels empfing Hans Dichand regelmäßig die Spitzen der Republik, kaum ein Politiker vergaß, nach seiner Wahl Hans Dichand einen Antrittsbesuch abzustatten.

Legendäre Kampagnen

Schon legendär sind die Kampagnen der "Krone", für Hainburg, gegen Atomkraft, gegen Gentechnik, für Kurt Waldheim, gegen die EU. Und nicht zuletzt wegen ihrer in der Politik oft gefürchteten Kampagnen hat die "Krone" nicht selten das Verhalten von Politikern beeinflusst: Wenn etwa der frühere SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer gemeinsam mit dem jetzigen Werner Faymann mittels Leserbrief ganz gemäß der "Krone"-Blattlinie plötzlich bekundet, für Volksabstimmungen über EU-Verträge zu sein, was letztlich zu Neuwahlen führte, oder wenn Hans Dichand ganz offen von der freiheitlichen Präsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz eine Distanzierung zum Nationalsozialismus verlangt, was prompt erfolgte.

Die Ära Hans Dichand ist nun zu Ende, die Zukunft der "Kronen Zeitung" ungewiss.

Mehr Rechte für die WAZ

Formal hat der deutsche Medienkonzern WAZ, der 50 Prozent an der "Krone" hält, nun mehr Eigentümerrechte. Denn seit dem Ableben von Hans Dichand gibt es den Posten des Alleingeschäftsführers mit allen personellen Vollmachten nun nicht mehr. Dichands Erben und der WAZ-Konzern entscheiden in wirtschaftlichen und personellen Fragen nun gleichberechtigt. Das Vorschlagsrecht für den "Krone"-Chefredakteur, seit sieben Jahren ist das Dichands Sohn Christoph, hat aber weiter die Familie.

Generationswechsel

Eine wichtige Rolle bei der weiteren Entwicklung der "Krone" könnte Dichands Schwiegertochter Eva zukommen, die derzeit erfolgreich die Wiener Gratis-Zeitung "Heute" führt.

Der Generationenwechsel werde auch zu einem inhaltlichen Kurswechsel führen, glauben manche Branchenkenner. Als erstes Indiz dafür werten sie die jüngste Berichterstattung in der Causa Zogaj, in der die "Krone" jetzt die Feigheit der Spitzenpolitik harsch kritisiert. Daran, dass die "Krone "das führende Boulevard-Blatt Österreichs ist, wird sich aber wohl noch lange nichts ändern.

Morgenjournal, 18.06.2010

Hans Mahr im Gespräch mit Stefan Kappacher, Ö1 Morgenjournal, 18.06.2010

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