Sarkozy ergreift das Wort

WM-Skandal wird Präsidentensache

Ein Spieler beschimpft seinen Trainer aufs vulgärste und wird vom Verband heimgeschickt. Die Nationalelf verteidigt ihn und weigert sich vor dem nächsten Spiel zu trainieren. Ein Verantwortlicher des Verbands tritt zurück. Nicht nur die Sportwelt ist erschüttert. Selbst Staatspräsident Sarkozy hat nun das Wort zum Thema ergriffen.

Mittagsjournal 21.06.2010

Schande für den Sport

Es ist ein regelrechtes Psychodrama, das Frankreich in Atem hält. "Geht es nocht tiefer?", fragen die Medien, die alle heute auf Seite eins vom Skandal rund um die französische Nationalmannschaft berichten. Die Nationalmannschaft wird als lächerlich als peinlich als eine Schande für den Sport und für ganz Frankreich bezeichnet, - und auch das letzte Tabu ist gefallen. So sehr der Trainer der Mannschaft oft und teils sehr persönlich kritisiert wurde, so sehr hielt man sich bisher damit zurück die Spieler mitten im Bewerb zu direkt anzugreifen. Schließlich sollte die ohneides schon äusserst angeschlagene Mannschaft nicht weiter destabilisiert werden, hieß es.

Frankreichs Ansehen schwer geschädigt

Schließlich sollte die ohnedies schon äußerst angeschlagene Mannschaft nicht weiter destabilisiert werden, hieß es. Doch das ist jetzt anders: Die französischen Kicker werden als völlig verblödet bezeichnet, als dumm und als ihres Amtes unwürdig, als verwöhnte Idioten. Hier geht’s jetzt um Frankreich, da sind sich alle einig. Die hochbezahlten sportlichen Botschafter hätten das Ansehen ihres Landes mit Füßen getreten und mit ihrem Verhalten nachhaltig geschädigt.

Hauptthema in den Medien

Die Kommentatoren nehmen sich kein Blatt mehr vor den Mund. "Wer glaubt, dass das Schlimmste vorbei ist, hat sich geirrt", sagen sie in ihren zahllosen Live-Einstiegen aus Südafrika. Die Hauptnachrichtensendungen widmen den größten Teil ihrer Sendezeit dem blau-weiß-roten Skandal, der niemanden gleichgültig lässt.

Für Sarkozy: "Inakzeptable Ereignisse"

Und selbst der Präsident bricht ein ungeschriebenes Gesetz, nämlich nie aus dem Ausland innenpolitische oder franco-französische Themen oder Probleme zu kommentieren: Bei der offiziellen Pressekonferenz anlässlich des Wirtschaftsforums in St. Petersburg nimmt er zur Beschimpfung des Nationaltrainers durch Spieler Nicolas Anelka stellung: "Wenn die Ereignisse stimmen, und ich war ja nicht dabei, dann sind sie inakzeptabel," unterstreicht der Präsident.

Eskalation: Ausschluss von Anelka

Dass der Stürmer seinen Trainer während der Halbzeit des Spiels gegen Mexiko mit dem Götzzitat und ordinären Beschimpfungen attackierte, hat den Skandal ausgelöst. Sein Ausschluss durch den französischen Fußballverband führte dann zur Eskalation. Nachdem sich die Spieler am Sonntag weigerten, das vorgeschriebene Training zu absolvieren, schickten sie ihren Trainer vor, um ein Kommuniqué der Nationalmannschaft zu verlesen.

Erniedrigung des Trainers

Und niemand versteht, dass sich Raymond Domenech der seit Monaten durch die Medien gewatscht wird, weil die frazösiosche Elf nicht nur schlecht spielt, sondern auch Konzept und Strategie fehlen, soweit erniedrigen lässt. „Alle Spieler der französischen Nationalmannschaft wollen ohne Ausnahme erklären, dass sie gegen den Ausschluss von Nicolas Anelka durch den französischen Fußballverband sind, liest Domenech den Text der Spieler, die damit den Mann verteidigen, der ihn aufs vulgärste beschimpft hat.Und als wäre es nicht genug verbieten ihm die Fussballer dann im Mannschaftsbus mitzufahren.

Ausscheiden aus der WM fast sicher

Ist die Nationalmannschaft nun zur Selbstverwaltung übergegangen? Haben sie überhaupt noch einen Trainer?, fragen die Medien - wobei sie darauf hinweisen, dass es ohnedies schon völlig egal sei. Ihr Ausscheiden aus der Fußball-WM ist so gut wie sicher.

Angekratzter Nationalstolz

Längst geht es nicht mehr ums Abschneiden der Franzosen, sondern um den Nationalstolz - darum, dass die Fußballernation überzeugt davon ist, dass Ereignisse wie diese dem Image des Landes schaden, bis hin zur Befürchtung, dass langfristig wirtschaftliche Konsequenzen nicht auszuschließen sind.