EU legt sich nicht fest

Comeback der Atomkraft?

Um die Klimaziele zu erreichen, haben viele Länder auch in der EU angekündigt, auf Atomkraftwerke zu setzen: etwa Schweden, Finnland, Italien und Frankreich. Konkrete Projekte gibt es aber kaum. Denn Atomkraft ist nicht nur ökologisch umstritten. Sie ist auch teuer.

Mittagsjournal, 23.06.2010

Finnland baut neues Atomkraftwerk

Ein Atomkraftwerk kostet mehrere Milliarden Euro, je nach Größe und Technik. Deshalb ist der Ausbau der Atomenergie bisher über Ankündigungen kaum hinausgekommen, meint Reinhard Uhrig, Energie-Experte der Umwelt-Organisation Global 2000. "Es gibt kein Comback. In Europa laufen derzeit ganz wenige Projekte." Rein wirtschaftlich sei es nicht konkurrenzfähig, sagt Uhrig. Derzeit wird ein neues Kraftwerk in Finnland gebaut. Frankreich plant den Bau eines neuen AKW.

Weltweit 209 AKW in Betrieb

Weltweit sind derzeit 209 Atomkraftwerke in Betrieb. Sie decken 15 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs. In Europa ist der Anteil fast doppelt so hoch, bei rund 30 Prozent. Das macht vor allem Frankreich aus, wo fast der gesamte Strom aus Atomkraftwerken kommt.

Umweltschützer: Klima kein Argument

Diese Zahlen zeigen eines: Wenn man den Anteil von Atomstrom deutlich erhöhen wollte, müsste man dutzende, wenn nicht hunderte neue Kraftwerke bauen. Selbst dann würde das Argument Klimaschutz aber nicht zählen, meint Reinhard Uhrig von Global 2000. "Die seriösen Schätzungen gehen davon aus, dass bei der Stromerzeugung aus Atomenergie 100 Gramm CO2 pro Kilowattstunde erzeugt werden. Im Vergleich zu Kohle ist das noch wenig, aber im Vergleich zu den erneuerbaren Energieträgern wie Wind-oder Wasserkraft ist es viel mehr."

Atombefürworter: CO2 läst sich einsparen

Atombefürworter sehen das ganz anders. Claudia Kemfert vom Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin sieht Atomkraftwerke sehr wohl als Mittel zum Klimaschutz. "Laut Daumenregel kann man sagen, dass jedes Kernkraftwerk im Jahr, wenn es ein Kohlekraftwerk ersetzt, bis zu 5 Millionen Tonnen CO2 einsparen kann. Das heißt, wenn man alle Kraftwerke laufen ließe, wäre das in der Größenordnung von bis zu 90 Millionen Tonnen CO2, die man dann pro Jahr tatsächlich einsparen könnte." Und das wären 10 Prozent der gesamten CO2-Menge in Deutschland.

Laufzeit bestehender AKW verlängern

Das wird in Deutschland als Argument dafür verwendet, wenn schon nicht neue Kraftwerke zu bauen, so doch bestehende Atomkraftwerke möglichst lang laufen zu lassen. Es müsse darum gehen, dass man eine sichere, aber auch klimaschonende und bezahlbare Energieversorgung in der Zukunft habe. Wenn man die Laufzeiten sicherer Kraftwerke verlängert, brauche man keine neuen bauen, sagt Kemfert.

Gewinne wichtiger als Sicherheit

Umweltschützer sehen darin reines Gewinnstreben der Energie-Konzerne. Reinhard Uhrig von Global 2000: "Laufzeit verlängern ist sehr attraktiv für die Betreiber. Sie machen pro Kraftwerk 1 bis 2 Millionen Euro Nettogewinn pro Tag." Und diese Gewinne seien den Energiekonzernen wichtiger als alle Sicherheitsbedenken, meint der Umweltschützer.

EU legt sich nicht fest

Die EU will sich nicht festlegen, ob Atomkraft ein sinnvoller Weg für die Energie-Zukunft sei. Energie-Kommissar Günther Öttinger will die Entscheidung jedem Land überlassen. "Ich glaube, es wird ein Europa der Vielfalt bleiben. Von 27 Mitgliedsstaaten haben 15 Kernkraft, 10 bis 12 haben keine Kernkraft." So sieht es danach aus, als würde das Comeback der Atomkraft nicht davon abhängen, ob es gut oder schlecht für die Umwelt ist, sondern ob sich damit Geld verdienen lässt.