In Zeiten der Krise

Spanien: Geburten gehen zurück

Kindermangel und Überalterung - ein Problem auch im wirtschaftlich bedrängten Spanien. Schon im ersten Krisenjahr machte sich das abgekühlte Wirtschaftsklima mit einem Rückgang bei Geburten und Eheschließungen bemerkbar.

Mittagsjournal, 25.06.2010

Baby-Crash nach Baby-Boom

Mangelnde Zukunftsperspektiven in einer wirtschaftlichen Ausnahmesituation haben Auswirkungen auf den Wunsch, eine Familie zu gründen oder Kinder zu bekommen. Schon im ersten Krisenjahr in Spanien machte sich das abgekühlte Wirtschaftsklima mit einem deutlichen Rückgang bei Geburten und Eheschließungen bemerkbar.

Das Jahr 2009 brachte nach einem Jahrzehnt stetig wachsender Geburtenraten die Trendwende: 20.000 Babys weniger als im Jahr zuvor kamen in Spanien zur Welt, das ist ein Minus von fünf Prozent. Oder, wie es eine Tageszeitung in der Börsensprache formulierte: Auf den Babyboom, den Spanien der Zuwanderung aus Lateinamerika und dem Maghreb verdankte, folgte der Baby-Crash.

Einwanderer hoben kurz die Quote

Die Angst um den Arbeitsplatz oder das gesunkene Familieneinkommen haben sich unmittelbar auf den Kinderwunsch ausgewirkt. Spanien verzeichnete zur Jahrtausendwende eine der niedrigsten Geburtenraten in Europa in Europa. Dank eines überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstums und einer liberalen Einwanderungspolitik kamen Ausländer ins Land; in der Mehrzahl junge Familien, die am Bau, in der Gastronomie oder in den Haushalten eine Anstellung fanden.

Die Geburtenstationen meldeten wieder Betrieb: Mütter aus Lateinamerika und Nordafrika halfen mit, den statistischen Mittelwert, der 1,4 Kinder pro Frau in Spanien auswies, anzuheben. Ein Fünftel der Geburten verdanke man ausländischen Müttern.

Jetzt Geburtengeld gestrichen

Mit einem so genannten Baby-Scheck, einer einmaligen Geburtenprämie in der Höhe von 2500 Euro wollte die sozialistische Regierung die im europäischen Vergleich geringen finanziellen Anreize bei Geburten wettmachen.

Spanien erlebt aber die schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Die Zahl der Arbeitslosen stieg auf 4,6 Millionen, was einer Arbeitslosenrate von 20 Prozent entspricht. Die Regierung muss sparen und so fiel die Geburtenprämie gemeinsam mit den Förderungen für die Anschaffung einer Wohnung oder die Erziehung behinderter Kinder dem Sparstift zum Opfer. Die Maßnahme wird von den Elternverbänden kritisiert und fordert mehr, nicht weniger staatliche Hilfe.

Die Streichung der Geburtenprämie soll eine Einsparung von über einer Mrd. Euro bringen; die langfristigen Auswirkungen auf Bevölkerungswachstum und Alterspyramide sind nicht abzuschätzen. Margarita Delgado leitet im Statistischen Zentralamt die Studie über die Bevölkerungsentwicklung in Spanien. "Angesichts der Krise überdenken die Paare eine Eheschließung und den Kinderwunsch". Auch auf den Standesämtern macht sich die Ausnahmesituation bemerkbar. Die Zahl der Eheschließungen ging im ersten Jahr der Schuldenkrise gleich um 11 Prozent zurück.