Gesamtkostenüberblick fehlt

Länder für Datenbank im Pflegebereich

Welche Gesamtkosten Pflegegeld und Sachleistungen für die Pflege verursachen, weiß niemand. Die Länder wollen mit einer neuen Pflege-Datenbank einen besseren Überblick bekommen - der fehlt derzeit nämlich völlig, wie aus einem Verwaltungsreform-Bericht zur Pflege hervorgeht.

Mittagsjournal, 26.06.2010

Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt: im Mai haben fast 360.000 Personen Pflegegeld des Bundes bezogen, das sind um drei Prozent mehr als vor einem Jahr. Das geht aus den jüngsten Daten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger hervor. Dazu kommen noch geschätzte 63.000 Betroffene, die Pflegegeld von den Ländern erhalten.

Überblick fehlt

Im Bericht der Arbeitsgruppe zur Verwaltungsreform finden sich all jene Probleme, unter denen der Pflegebereich seit Jahren leidet: vor allem die zersplitterte Finanzierung und der fehlende Überblick der Gesamtkosten der Pflege: was zahlen Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherung, was die Betroffenen selbst, was die Angehörigen, was decken Wohlfahrtsorganisationen.

Frage des Geldes

Dazu kommen große Unterschiede in den Bundesländern: welchen Anteil muss der Pflegebedürftige oder sein Ehepartner bezahlen, wie viel Vermögen darf behalten werden. Das geht soweit, dass Betroffene ihren Wohnsitz in ein anderes Bundesland verlegen, wenn für sie die Betreuung sonst nicht leistbar ist. Oder dass Betroffene in ein teures Pflegeheim müssen, weil sie sich die insgesamt billigere, aber zum Teil selbst zu zahlende mobile Pflege nicht leisten können. In manchen Heimen müssen die Bewohner Umsatzsteuer zahlen, in anderen nicht, je nach Bundesland und Heim-Betreiber.

280 Stellen verwalten Pflegegeld

Beim Pflegegeld wiederum sind allein für die Verwaltung 280 verschiedene Stellen zuständig - die nach völlig unterschiedlichen Kriterien vorgehen, was das Zuerkennen, Überprüfen und sogar den Zeitpunkt der Auszahlung des Pflegegeldes betrifft. Das beziehen in Österreich mehr als 420.000 Personen, bezahlt von Sozialversicherung, Bund und Ländern. Für die Betroffenen liegt der Betrag zwischen 154 Euro pro Monat beim geringsten Pflegeaufwand und 1655 Euro beim höchsten Pflegeaufwand.

Pflege zu Hause ist billiger

Bezahlt wird das Pflegegeld zum überwiegenden Teil von der Sozialversicherung, ein kleinerer Teil vom Bund: der Betrag steigt seit Jahren, auf zuletzt 1,9 Milliarden Euro im Jahr 2009. Zusätzlich betrug für die Länder der Pflegegeld-Aufwand -nach Schätzungen für das Jahr 2008- über 320 Millionen Euro.

Derzeit werden allerdings 80 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause von den eigenen Angehörigen betreut. Für diese oft sehr stark belasteten Familienmitglieder -meistens Frauen- wurde erst im Mai die "Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger" gegründet. Die hat errechnet, dass die häusliche Pflege eines Dementen pro Jahr rund 12.000 Euro koste, dafür aber in einem Pflegeheim bis zu 43.000 Euro nötig wären. Hochgerechnet würde das eine Arbeitsleistung von 4 Milliarden Euro ergeben - das ist in etwa derselbe Betrag, den derzeit der Staat für Pflegegeld und Sachleistungen, das sind vor allem Heime, insgesamt ausgibt.

Neues Berufsbild

Gleichzeitig steigt die Zahl neuen selbständigen Betreuer in der 24-Stunden-Pflege. Dieser Beruf wurde mit dem Hausbetreuungsgesetz 2007 geschaffen, als Folge der Debatte um illegale Pflegekräfte aus dem Ausland. 7.000 selbständigen Betreuer gab es im Jahr 2008, 19.000 waren es im Herbst 2009, derzeit sind es 27.000. Dazu kommen noch unselbständige Betreuer, laut Sozialministerium über 1.000. Für selbständige Betreuer wird ein staatlicher Zuschuss von 550 Euro monatlich gezahlt, für unselbständige von 1.100 Euro.

Verdoppelung der Kosten bis 2030

Was die Pflege in Zukunft für Kosten verursachen wird, hat die Arbeitsgruppe zumindest geschätzt: aus den schon erwähnten 4 Milliarden Euro derzeit werden im Jahr 2030 achteinhalb Milliarden Euro werden. Vor allem der Anteil der Länder wird stark steigen. Wie das bezahlt werden soll, ist offen - und so lautet der Schluss, den die Fachleute ziehen: derzeit existiere in Österreich keine umfassende Absicherung gegen das finanzielle Risiko der Pflegebedürftigkeit.