Sieg im dritten Wahlgang

Christian Wulff neuer Bundespräsident

Christian Wulff wird nach einer Zitterpartie neuer deutscher Bundespräsident. Der Kandidat von Union und FDP erhielt im dritten Wahlgang eine Mehrheit von 625 Stimmen. Sein von SPD und Grünen aufgestellter Gegenkandidat Joachim Gauck kam auf knapp 500 Stimmen.

Morgenjournal, 01.07.2010

Aus Berlin, Peter Fritz

Rückschlag für Merkel

Für die schwarz-gelbe Koalition von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist es ein weiterer Rückschlag, dass der CDU-Politiker erst im dritten Durchgang gewählt wurde. Hier reichte die einfache Mehrheit. Union und FDP schafften trotz deutlicher rechnerischer Mehrheit nicht die erhoffte Demonstration der Einigkeit.

Der bisherige niedersächsische Ministerpräsident setzte sich am Mittwochabend nach stundenlanger Zitterpartie mit 625 Stimmen gegen den von SPD und Grünen nominierten früheren DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck durch. Er bekam 494 Stimmen. In den ersten beiden Wahlgängen hatten Abweichler im schwarz-gelben Lager noch einen Sieg Wulffs verhindert.

In der Koalition war vor der Wahl befürchtet worden, dass Merkel und ihr Kandidat Wulff wegen des schlechten Erscheinungsbildes der Bundesregierung aus den eigenen Reihen einen Denkzettel bekommen. In den ersten beiden Wahlgängen verfehlte Wulff die absolute Mehrheit von 623 Stimmen, obwohl Union und FDP zusammen über 644 Stimmen verfügten. Im ersten Wahlgang fehlten Wulff mindestens 44 Stimmen aus dem eigenen Lager.

Entscheidung durch die Linkspartei

Die Entscheidung zugunsten Wulffs brachte auch die Linkspartei, die vor dem dritten Wahlgang ihre Kandidatin Luc Jochimsen zurückzog. Die Parteispitze gab zwar die Abstimmung frei, kündigte aber zugleich an, dass sich die Mehrheit ihrer Wahlleute enthalten werde. Damit war ein Erfolg Gaucks so gut wie ausgeschlossen. Gauck war früher Chef der Stasiunterlagen-Behörde - auch deswegen gab es bei der Linken Vorbehalte.

Merkel hatte vor dem dritten Wahlgang eindringlich für den Kandidaten der Koalition geworben. "Lassen Sie uns im dritten Wahlgang ein kraftvolles Symbol abgeben", sagte die CDU-Chefin nach Angaben von Teilnehmern in der Unionsfraktion. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sprach von einer historischen Verantwortung der Unions-Wahlleute. "Es geht jetzt um mehr als um den dritten Wahlgang", wurde er aus Koalitionskreisen zitiert.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

FDP-Chef Guido Westerwelle machte die Union für das schlechte Abschneiden Wulffs im ersten Wahlgang verantwortlich. "Die Freien Demokraten jedenfalls werden Christian Wulff im zweiten Wahlgang erneut unterstützen - geschlossen, so wie wir es auch im ersten Wahlgang getan haben."

Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU) sprach von Denkzetteln der Abweichler. "Das waren welche, die uns sagen wollten: Ihr müsst besser werden. Ihr müsst Euren öffentlichen Streit beenden", sagte er im Sender Phoenix. "Diese Botschaft haben wir natürlich auch verstanden. Das wird in den nächsten Wochen analysiert und diskutiert."

Bis zuletzt hatte es Kritik gegeben, dass die schwarz-gelbe Koalition ihren Kandidaten Wulff vor allem aus machtpolitischem Kalkül aufgestellt habe.
In Umfragen unter der Bevölkerung hatte Gauck vor Wulff gelegen. Das Staatsoberhaupt wird aber nicht vom Volk direkt, sondern von der Bundesversammlung gewählt.

Der neue Bundespräsident soll an diesem Freitag in einer gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat vereidigt werden. Seine Amtszeit dauert fünf Jahre.

Morgenjournal, 01.07.2010

Eine Analyse aus Berlin, Volker Obermayer im Gespräch mit Helene Seelmann