Der zweite Fall für Bruno Courreges

Grand Cru

Martin Walkers Haus im Périgord steht am Rand des kleinen Ortes, den er in seinen Krimis St. Denis nennt und dessen wahren Namen er nicht verraten haben will - sind doch anderswo in Frankreich schon Bestsellerautoren zu Touristenattraktionen geworden.

Hinter blühenden Hecken verborgen parkt stilgerecht ein 2CV, der Weg zur Terrasse führt an Gemüsebeeten vorbei, die Küchentür steht offen, die Ehefrau Julie kocht. Wie kann man diesen Platz nicht lieben, fragt Martin Walker.

Vor mehr als zwanzig Jahren hat Martin Walker Freunde besucht, die sich im Périgord niedergelassen hatten, Land und Leute gefielen dem gebürtigen Schotten, er ist immer wieder hierher zurückgekehrt und hat vor zehn Jahren das weitläufige Anwesen gekauft. Die meiste Zeit seines Lebens war er in aller Welt unterwegs, hat von Kriegsschauplätzen berichtet, von der Junta-Zeit in Athen und der Nelkenrevolution in Portugal, er war Korrespondent in Russland und den USA, wurde bekannt durch seine Sendungen in BBC und CNN, war Reporter des Jahres.

Heute unterrichtet Walker in Washington, ist als Experte in verschiedenen Gremien tätig und schreibt für amerikanische wie für russische Zeitungen.

Nach realem Vorbild

Nach Sachbüchern über Themen wie Michael Gorbatschew und Perestroika, die Geschichte des Kalten Krieges und Bill Clintons Ökonomie wurde der erste Kriminalroman international ein Bestseller: "Bruno, Chef de Police". Walker hat, wartend auf Flughäfen und auf berufsbedingen Langstreckenflügen ein praktikables Rezept und konsequente Plots erdacht: Ein sympathischer, so gar nicht cooler Ermittler mit berührender Geschichte, plus ansprechendes, kulinarisch ergiebiges Umfeld im Wein-Trüffel- und Gansleberzentrum Périgord ergeben eine angenehme Mischung. Die Dramen der kleinen Gemeinschaft unterscheiden sich kaum von denen der großen Welt, findet Walker.

Polizist Bruno Courreges hat ein reales Vorbild, das wie er nie eine Waffe trägt und die Schlüssel der Handschellen nicht mehr finden kann. Allerdings hat Walker seinen Romanhelden etwas aufpoliert: aus dem Familienvater wurde ein begehrter Junggeselle, dem er in jedem Buch eine romantische Liebesgeschichte gönnt. Der echte wie der fiktive Bruno sind beliebte Mitglieder ihrer Gemeinde, organisieren Feste und Märkte und spielen Rugby mit der Dorfjugend, um gefährdete Außenseiter von der Straße zu holen. Beide kochen gerne, sind für ihre Trüffelomeletts und ihre Gastlichkeit berühmt.

Bedrohte Idylle

Bruno Courreges erster Fall hatte seine Wurzeln in einem unaufgearbeiteten Kapitel jüngster Geschichte, als französische Milizen im Zweiten Weltkrieg im Auftrag der deutschen Besatzer Grausamkeiten an Resistancekämpfern verübten. Im aktuellen Fall "Grand Cru" bedrohen die Ambitionen eines amerikanischen Weinmultis die Idylle des Périgord. In großem Stil will man die besten Anbaugebiete aufkaufen, um eine Großproduktion von gewinnträchtigen Grand Crus aufzuziehen.

Bald sind die Einwohner von St.Denis gespalten – die einen wittern das große Geschäft, andere sehen ihre Lebensqualität in Gefahr, eine grüne Gruppierung organisiert Proteste, die erste Leiche wird stilecht in einem Weinfass gefunden. So unterhaltsam seine Krimis zu lesen sind, versteht sich Walker doch immer auch als Aufklärer – sein Bruno ist ein lernbegieriger Ausnahmepolizist.

Brunos dritter Fall

Mit Bruno Courreges drittem Fall - eben auf Englisch erschienen - hat Martin Walker auf das erfolgreiche Rezept seines – spannenderen - ersten Falls zurückgegriffen. Den Hintergrund von "Black Diamond" bildet ebenfalls ein vergessenes Kapitel in der Geschichte seiner Wahlheimat: Nachdem Frankreich den Krieg in Indochina verloren hatte, mussten alle, die mit den Kolonialherrn in wie immer gearteter Beziehung standen, das Land verlassen - 80 000 Vietnamesen kamen auf diese Weise in den 1950er Jahren nach Frankreich und bilden eine überraschend starke Minderheit.

Martin Walkers kriminologischen Nachhilfeunterricht in den Fächern Geschichte und Ökonomie wird den Franzosen – anders als den Italienern die Krimis einer Donna Leon - nicht vorenthalten. Nach Übersetzungen in vielen Ländern von Finnland bis Brasilien werden Bruno Courreges Fälle demnächst auch in Frankreich auf den Markt kommen.

Service

Martin Walker, "Grand Cru. Der zweite Fall für Bruno, Chef de Police", aus dem Englischen übersetzt von Michael Windgasser, Diogenes Verlag

Diogenes - Grand Cru