Achtzehn Tage, fünf Orte, eine Musik
Vier Kontinente bei "Glatt&Verkehrt"
Das 14. "Glatt&Verkehrt"-Festival in Krems bietet 18 Tage lang Weltmusik von Österreich bis nach Kolumbien. Künstler/innen von vier verschiedenen Kontinenten, beziehungsweise zwanzig Ländern werden zu sehen und hören sein.
26. April 2017, 12:23
Achtzehn Tage, fünf Orte
Im Jahr 1997 fand "Glatt&Verkehrt" zum ersten Mal statt. Das Festival dauerte drei Tage. Im Jahr 2010 findet "Glatt&Verkehrt" zum 14. Mal statt, an 18 Tagen, an fünf verschiedenen Orten. Es wird damit gut fünfmal so groß sein wie seine erste Ausgabe. Nun ist weder die Größe des Publikums ebenso stark angewachsen, noch gibt es fünfmal so viel Geld wie damals. Aber: Das Publikum ist treu und auf Musik neugierig. So treu und so neugierig, dass die Festivalleitung auf gut besuchte Konzerte hoffen darf.
Weltmusik aus und in Österreich
Im Vorfeld werden bevorzugt österreichische Projekte präsentiert - zum Beispiel im Schlosshof zu Spitz, den am 15. und 16. Juli 2010 Netnakisum, 5/8 in Ehr'n, Klezmer Reloaded (Extended Version!) und Wolfram Berger - alle mit neuen Programmen - bespielen wollen.
Den ersten Live-Einstieg auf Ö1 bringt das Festival dann am 17. Juli: Die Komponistin, Blockflötistin und Sängerin Maja Osojnik setzt in der Minoritenkirche in Stein-Krems mit "Cira Cara" ein opulentes Programm in die Tat um. Ebenfalls in diesem Klangraum finden am 24. Juli Lesungen mit Musik statt, z. B. Erwin Steinhauers unnachahmliche Darbietung von H. C. Artmanns "Dracula, Dracula".
Vom 18. bis 24. Juli bezieht im Stift Göttweig wieder die Musikantenwerkstatt Quartier. Betreut von elf Referent/innen und unter der Leitung von Evelyn Fink-Mennel können sich hier engagierte Laien (und ebensolche Profis!) traditioneller Musik aus Europa widmen. Aus der Werkstatt sind mittlerweile bereits einige Ensembles hervorgegangen, die Österreichs (Welt-)Musikszene bereichern.
Von 28. Juli bis 1. August schließlich bevölkern Ensembles und Solist/innen aus vier Kontinenten und 20 Ländern die Bühne im Innenhof der "Winzer Krems". Jeder dieser fünf Tage hat ein Thema, das in den verschiedensten Facetten beleuchtet wird:
Grenzenlose Verwandtschaften
Mit der seltenen Besetzung Violoncello und Schlagzeug eröffnen Paolo de Angeli und Hamid Drake den Mittwoch, 28. Juli. Anschließend kehren zwei Künstler der vergangenen Jahre zum Festival zurück - allerdings erstmals gemeinsam, und in einem Projekt, das dem Tagesthema "Grenzenlose Verwandtschaften" perfekt entspricht: Thierry Robin, bretonischer Oud-Spieler und Spurensucher im Bereich der Roma-Musik, trifft auf den pakistanischen Qawwali-Sänger Faiz Ali Faiz.
"Rumble in the Jungle"
Tags darauf versammeln sich afrikanische Ensembles in Krems, die einen Gutteil ihrer Inspirationen aus den 1970ern beziehen: Mulatu Astatqé, Komponist, Pianist und Vibrafonist, gehört zu den Ethiopiques-Stars aus Äthiopien, die vor rund 40 Jahren mit Jazz, Funk und Soul in Addis Abeba Furore machten. Mit dem Londoner Kollektiv Heliocentrics begibt sich Astatqé (der durch die Filmmusik zu Jim Jarmuschs "Broken Flowers" neue Bekanntheit erlangte) gewissermaßen in den Club-Sound des 21. Jahrhunderts.
Den Tag beschließen wird Staff Benda Bilili, die vielleicht außergewöhnlichste Band der Weltmusikszene - ehemalige Straßenmusiker und soziale Outcasts, deren Laufbahn in den Parkanlagen um den Zoo von Kinshasa begann. Die Senioren dieser Band erinnern sich mit Freude an den Boxkampf zwischen George Foreman und Muhammad Ali bzw. an die Auftritte von Miriam Makeba und James Brown im Herbst 1974. Die Ereignisse gingen als "Rumble in the Jungle" in die Geschichte ein - und der 29. Juli 2010 steht unter demselben Titel bei "Glatt&Verkehrt".
Südamerika und Asien zu Besuch
Erstmals gehört heuer ein ganzer Festival-Tag einem einzigen lateinamerikanischen Land: Am Freitag, 30. Juli stellt sich Kolumbien weltmusikalisch vor - mit drei Formationen von der Atlantik- und der Pazifikküste sowie den weiten Ebenen, die sich von Kolumbien nach Venezuela erstrecken.
Korea, Vietnam, China, Japan, Indien - ein unermesslicher Raum tut sich auf, wenn man diese Länder am Globus ansieht. Dementsprechend präsentieren die Konzerte am Samstag, 31. Juli, Musikideen der unterschiedlichsten Art: zwischen Schamanismus und Punk, verspieltem Jazz und geradlinigen Trommelklängen, Obertongesang und Koto, Tabla und Sampling. All das findet sich beim Sonagi Project, der Gruppe Hanggai und dem Trio von Nguyên Lê.
Tag der Sprache
Ist es am Samstag vor allem die Vielfalt der Instrumente, die die Konzerte zum Erlebnis machen wird, so regieren am letzten Festivaltag, dem 1. August, die Sprachen. Die Ausführenden jedoch nur als Singer-Songwriter zu bezeichnen, griffe viel zu kurz, auch wenn sie sich immer wieder in dieser Stil-Schublade wiederfinden.
Vinicio Capossela, in Hannover geborener Italiener, sprengt den Rahmen jedes einzelnen Liedes; Lyenn (Belgien) und Shelley Hirsch (USA) liefern in einem eigens zusammengestellten Duo-Programm scheinbar karge, reduzierte Vokalstücke, und der Russe Peter Nalitch, der eigentlich nicht gerne auf Tournee geht. Allerdings beweisen die über vier Millionen Zugriffe auf sein YouTube-Video "Guitar" das Interesse an diesem 29-Jährigen - hier passt das oft verwendete Wort wirklich - Ausnahmemusiker, und so konnte Nalitch für einen seiner raren Auftritte gewonnen werden.
Vom Nischendasein ins Rampenlicht
"Glatt&Verkehrt" präsentiert damit ein Programm, das von purer traditioneller Musik bis zur grenzüberschreitenden Avantgarde reicht. Gemeinsam ist den Künstler/innen der Anspruch, die eigene, unverwechselbare künstlerische Aussage zu treffen, ohne Rücksicht auf stilistische Einordnungen. Dass dies gerade auf dem Gebiet der sogenannten Weltmusik stattfinden kann, rückt den Begriff wohl endgültig vom Nischendasein der musikalischen Weltverbesserer ins Rampenlicht des Interesses an authentischer, zeitlos faszinierender Tonkunst. Und dass Ö1 seit Anfang des Festivals als Mitveranstalter dabei ist, darf uns stolz machen.
Service
"Glatt&Verkehrt 2010", Donnerstag, 15. Juli 2010 bis Sonntag, 1. August 2010, Krems und Umgebung, Ö1 Club-Mitglieder bekommen 10 Prozent Ermäßigung bei allen Veranstaltungen.
Ö1 bringt am Samstag, 17. Juli 2010 sowie vom Mittwoch, 28. Juli 2010 bis Sonntag, 1. August 2010 regelmäßig in den Musiksendungen Live-Einstiege und Mitschnitte.
Glatt&Verkehrt-Festival
YouTube - Peter Nalitch "Guitar"