"Dichter zu Gast" bei Salzburger Festspielen

Österreich-Kenner Claudio Magris

Mit einer Lesung von Senta Berger begann das Literaturprogramm der Salzburger Festspiele. Die Schauspielerin las eine Orpheus-Erzählung von Claudio Magris - er trägt heuer in Salzburg den Ehrentitel "Dichter zu Gast". Der italienische Schriftsteller hat fünf Abende mit Österreich-Bezug programmiert.

Mittagsjournal, 02.08.2010

Claudio Magris stammt aus Triest und hat sich dort schon in jungen Jahren einen Namen als Germanist mit Österreich-Schwerpunkt gemacht. Seine Dissertation, die er im Alter von 24 Jahren vorgelegt hat, ist bis heute ein Standardwerk: "Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur". Es folgte eine erfolgreiche universitäre Laufbahn in Triest und ein nicht minder erfolgreiches Schriftsteller-Leben, das vergangenes Jahr mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels gewürdigt wurde.

Unter dem Titel "Das Weltreich der Melancholie" diskutiert Claudio Magris am 4. august 2010 mit dem deutschen Historiker Karl Schlögel über den Untergang der Donaumonarchie. Denn die Gegenwart könne man nur durch die Vergangenheit verstehen, sagt Magris.

Alte Wunden öffnen

Auf den Ausflug ins "Weltreich der Melancholie" folgen Blicke ins innere Österreich. An drei Abenden lädt Claudio Magris zu einer Filmvorführung mit anschließender Diskussion. Einmal geht es um Wien zur Wendezeit 1989, zu Gast sind der Schriftsteller Michael Stavaric und der Filmemacher Götz Spielmann.

Dann geht es um das Jahr 1934 und jene Ereignisse, die je nach Betrachtung "Arbeiteraufstand" oder "österreichischer Bürgerkrieg" genannt werden; an diesem Abend diskutiert Claudio Magris mit dem Autor Franzobel und der Historikerin Brigitte Kepplinger. Der Germanist Claudio Magris ist sich bewusst, dass es schmerzlich ist, alte Wunden noch einmal zu öffnen. Wenn wir die Oper vergessen, tun wir ihnen weitere Gewalt an, sagt Magris.

Der dritte Blick ins Innere Österreich gibt die Sicht frei auf das sogenannte "Zigeunerlager" im Salzburg des Jahres 1943. Mit der Donau befasst sich der abschließende Gesprächsabend am 11. August 2010; zu Gast bei Magris ist der Musiker Hubert von Goisern.

Textfassung: Ruth Halle