Lobbying für neues Freihandelsabkommen

Die EU, Kolumbien und der Geheimdienst

Bei Verhandlungen der EU mit außereuropäischen Partnern über Abkommen, die zu freierem gegenseitigen Marktzugang führen, sind Interventionen von Lobbies beider Seiten normal. Kolumbien, das auf die Bestätigung eines neuen Freihandelsabkommens mit der EU wartet, hat den Geheimdienst eingeschaltet. Dem Europa-Abgeordneten Jörg Leichtfried (SPÖ) wurden Beweise zugespielt.

Mittagsjournal, 05.08.2010

Europäisches Rechtssystem sollte beeinflusst werden

"Operacion Europa" lautet der Einsatzplan der Generaldirektion für Nachrichtenermittlung im Sicherheitsministerium von Bogota. Das Ziel ist, so das Zitat, das Europäische Rechtssystem zu beeinflussen, die Menschenrechtsbeauftragte der Vereinten Nationen in Frage zu stellen und den Menschenrechtsausschuss des Europaparlaments zu diskreditieren. Auf diese Weise wollte der kolumbianische Geheimdienst in den letzten Jahren dem schlechten Image der Regierung in Bogota in punkto Menschenrechten in der europäischen Öffentlichkeit entgegen wirken.

Schwierige Gespräche über Freihandelsabkommen

Die Unterlagen wurden dem Europaabgeordneten Jörg Leichtfried zugespielt. Er sieht einen Zusammenhang mit den schwierigen Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen Kolumbien und der EU. Das Abkommen wurde von der Europäischen Kommission ausgehandelt und soll zu einem schrittweisen Wegfall der Zölle zwischen Kolumbien und der EU führen. Entscheiden muss jetzt das Europäische Parlament und dort gibt es heftige Kritik, dass zu wenig Druck für bessere Arbeitnehmerrechte und Menschenrechte in Kolumbien gemacht wurde. Jörg Leichtfried sagt: "Es geht um die sehr schwierige Situation der Gewerkschaften und Gewerkschafter in Kolumbien. Man möchte Verbesserungen erreichen, die sich aber als kompliziert gestalten."

Kolumbien "fürchtet" EU-Parlament

In Kolumbien tobt seit Jahrzehnten ein blutiger Bürgerkrieg zwischen der Regierung, linken Guerillaorganisationen, rechten Milizen und der Drogenmafia. Die Spannungen mit Venezuelas Präsident Hugo Chavez - der beschuldigt wird die linke Guerilla zu unterstützen - haben in den letzten Tagen zu akuter Kriegsgefahr zwischen den beiden Ländern geführt. Dass der Geheimdienst eines derart von Krisen geschüttelten Landes Zeit und Energie findet, sich auch auf das Europäische Parlament zu konzentrieren, zeigt laut Leichtfried das wachsende Gewicht der Parlamentarier.

Europäer pochen auf Menschenrechten

Anders als China oder die USA wollen die Europäer bei Handelsfragen nicht nach wirtschaftlichen Kriterien alleine entscheiden. Die aus dem Europaparlament kommende Forderung, auch Menschenrechtsfragen in die Diskussion einzuführen, ruft offensichtlich auch die Geheimdienste anderer Kontinente auf den Plan.