Von Marion P.
Flipper - Teil 3
Es ist der Morgen eines Wochentages in einer Großstadt. Unzählige Menschen betreten gleichzeitig und nacheinander in einem nicht abreißenden Menschenstrom die riesigen Mäuler der Untergrundbahnstationen, um sich in alle möglichen Stadtrichtungen verspucken zu lassen, Verspuckungsmäuler, die immer wieder tief Luft in ihre Lungen saugen und die Menschen verschleudern, Verschleuderungsmäuler.
8. April 2017, 21:58
Alle müssen zur Arbeit. In dem U-Bahnwaggon, der Verspuckungseinheit, der Verschleuderungseinheit: Zwei Kinder drängen sich an den Mutterkörper wie Kälber an die Kuh und trinken der Mutter Nähe, bevor sich wie jeden Morgen ihre Wege trennen; warum müssen wir uns jeden Tag von dir trennen, Mama?, warum können wir nicht alles, was wir im Leben brauchen, nur von dir lernen? Zwei frisch Verliebte, die vor einer halben Stunde den einen Körper, der sie in einem schönen Spiel geworden waren, getrennt haben und dem Bett entstiegen sind, haben sich vertäut und saugen sich bei den Mündern aus; warum müssen wir auseinandergehen?
Ein Mann zupft sich eine Semmel als Frühstück in den Mund und überlegt, was er als Erstes tun wird, wenn er ins Büro kommt. Eine junge Frau liest in Rilkes "Stundenbuch" - "In tiefen Nächten grab ich dich du Schatz, weil alle Überflüsse, die ich sah, sind Armut und armseliger Ersatz für deine Schönheit, die noch nie geschah..." Der Mann neben ihr betrachtet als Kontrastprogramm die nackte Frau auf Seite drei einer Boulevard-Zeitung mit folgendem Untertext - "In Siegerpose ganz kokett, hüpft Mandy aus dem Bett. Warum, das ist doch ganz klar – die letzte Nacht war wunderbar!" Eine Frau zieht sich die gehobene Tageszeitung in den Geist wie einen Holzschiefer tief unter die Haut. Ein Bursche rutscht nervös auf dem Sitzplatz herum. Das Mädchen neben ihm stopft sich das Kurzzeitgedächtnis mit einer Stundenwiederholung an und hofft, dass sie im entscheidenden Augenblick das Richtige ausspucken kann und noch viel inständiger, dass sie gar nicht in die Lage kommt, spucken zu müssen, Mach lieber Gott, dass ich heute nicht dran komme, ich verspreche, dass ich beim nächsten Mal vorbereitet bin, aber nur heute, bitte nur heute soll er nicht meinen Namen nennen, ich schwöre beim nächsten Mal.
An den meisten hängen noch Schlafreste und sie starren aneinander vorbei in die Leere, Jeden Morgen dieses Aufstehen ich hasse es, wenn der Tag dann ein bisschen altert, geht es schon, aber beim Aufstehen, Heute Abend muss ich einmal früher schlafen gehen, so geht das nicht weiter, ich muss für heute Abend absagen, Ich brauche einen Kaffee, dringend, ich brauche einen Kaffee. P l ö t z l i c h eine Explosion, ein Kamikaze-Moslem, einer mit einem Rucksack voller Sprengstoff, hat eine Bombe gezündet. Wozu?, ja das fragt man sich, siebzig Jungfrauen für den, der sich zusammenhanglos für ein unterdrücktes Volk in den Tod stürzt und zusammenhanglos unzählige mit sich reißt?, was für ein Gott ist das, der für eine solche Tat solchen Lohn zahlt? Ein Zerbersten geht um, Menschenkörper, Gewänder, Taschen, Untergrundbahnwaggons, Lippenstifte, Laptops, Handys, alles zerbirst und die zerborstenen Teile fliegen durch die Luft. Und nach dem Zerbersten zieht die Schwerkraft überall zerstörtes Material zu Boden, Menschenmaterial und Sachmaterial. Das ist ein großer Lärm, wie alles auf dem Boden aufkommt, und teilweise mit so einer Wucht, dass es noch einmal vom Boden in die Höhe prallt, um wieder mit einem Laut auf dem Boden aufzukommen, bis es endlich zur Ruhe kommen kann.
Unzählige Träume lösen sich wie mit Gas gefüllte bunte Luftballons und fliegen in den Himmel, so viele Träume, der ganze Himmel ist voll. Alarmknöpfe werden gedrückt, Notrufnummern gewählt, Hilfe wird gerufen, Schreie ertönen. Autos mit Blaulicht, die weißen Blutkörperchen der Stadt, lösen sich aus den Lymphknoten, wo sie stationiert sind, fetzen durch die Straßen und bringen Helfer heran, Polizisten, Feuerwehrleute, Psychologen und vor allem Ärzte. Letztere laufen herum und versuchen die zerfetzten Menschen zu flicken, schließen, retten, aber es gelingt nur in Ausnahmefällen, Tod und Zerstörung sind überall, die Toten werden ihrer Organe geplündert, vielleicht kann man sie ja bei einem anderen einbauen und wenigstens ihm das Leben retten. Einer läuft den Ballons nach, versucht sie zu fassen, aber sie entweichen alle in den Himmel.
Das Geschehen wird in Worte gedrängt und die Worte laufen durch die Stadt zu Rachel und Rachel beginnt furchtbar zu weinen und zu schreien um all ihre toten Kinder, die sie geboren und gezogen hat für ein langes Leben. Noch sind ihre Tränen nicht versiegt, da keimt im Tränengrund die leuchtende aber giftige Blume der Rache und bald dringt aus allen Kanälen der Ruf nach Rache, R-a-c-h-e hallt es überall, dafür werdet ihr hängen, ihr werdet hängen, das schwören wir, wir treiben euch aus euren Rattenlöchern und dann, dann werdet ihr hängen, das Blut unserer Toten wird nicht ungesühnt bleiben. Wer sind "ihr" fragt noch einer, aber es bedarf der Handlung. Und in der Hülle der Nacht bersten Glasscheiben.
Endlich entwischt dem Spieler die Kugel, beim Mund ist sie mir herausgepurzelt und in die Tiefe gefallen. Aber er hat einen Hosensack gefüllt mit Münzen und ich habe Hallen voller Kugeln offenbar lauter Angstkugeln. Auf ein Neues ruft er. Ich werde nicht gefragt.
Der geschwollene Frauenkörper traut sich schon gar nicht mehr aus der Wohnung, weil jede Begegnung die Frage nach dem "Wann denn endlich?" bringt, aber jetzt scheint es soweit zu sein, erst kommt ein Schwall Fruchtwasser und einige Zeit und einige Schmerzen später – dass sich dieser innere Mund so schmerzhaft nur weiten kann! – entkommt zwischen ihren Beinen ein Kind ins Leben, was für ein freudiges Ereignis, Juhu. Die Frau ist abgekämpft aber sehr glücklich. Es keimte schon die Frage in ihr, Wozu das alles?, aber bevor sie die Frage stellen konnte, war sie schwanger und das werdende Leben wurde das Wozu. Nun hält sie den kleinen Antwortbrocken auf ihre Lebensfrage in Händen.
Ein paar Wochen später spielt einer in der Kirche Gitarre mit leichten Griffen (G, C, A) und sie singen laut und deutlich, ausnahmsweise nicht bloß dieses lahme Gejohle sondern volle Töne, es wurde extra eine Band engagiert, um die Taufe, die Namensgebung im Namen des Herrn Jesus Christus aufzupeppen: "Vergiss es nie, dass du lebst, war keine eigene Idee und dass du atmest kein Entschluss von dir, vergiss es nie, dass du lebst, war keine eigene Idee und dass du atmest kein Entschluss von dir, du bist gewollt, kein Kind des Zufalls, keine Laune der Natur ganz egal ob du dein Lebenslied in Moll singst oder Dur, du bist ein Gedanke Gottes ein genialer noch dazu, du bist du, das ist der Clou ja der Clou ja du bist du."
Dem Pfarrer entkommt das Kind, es rutscht zwischen seinen klobigen Fingern durch, so ein ungeschickter Trottel, schlägt am Rand des Taufbeckens auf, wird beschädigt wie ein Ei und fällt in das mit Wasser gefüllte Becken. Taufwasser und Kindeseiklar vermischen sich. Die Mutter zerrt ihr Kind aus dem Wasser, läuft dem Pfarrer davon, So ein Trottel, scheiß auf die Taufe, also echt so ein ungeschickter Trottel. Zuhause verklebt sie die offene Stelle. Sie versucht für das Heranwachsen des Kindes einen Garten Eden zu schaffen. Der Garten ist nicht Eden, das kann er gar nicht sein, denn sie schafft nach ihren äußeren und inneren Gegebenheiten, und obwohl sie sich umschaut und umhorcht (Maria Montessori und so) bleibt es ein individueller Garten gemäß ihren äußeren und inneren Gegebenheiten (- Ich bin mein Rand und werde es immer bleiben, leider oder Gott sei Dank -), aber er ist schon in Ordnung, da gibt es viel schlechtere Gärten. Vielleicht wird das Kind dies einmal entdecken, dass es ein guter Garten war, in dem es wurzelt, und nicht in die allgemeine Mode verfallen, die in der Kindheit nach Fehlern für das Scheitern in der Gegenwart stochert.
Eines Tages macht das Kind sein Bündel, wirft es über die Schulter, gibt der Mutter einen Kuss und geht bei dem Tor aus dem Garten. Draußen sind Menschen, tausend Menschen, die dem Kind Wetterseiten entgegenstrecken, die von argen Stürmen geblasenen Wetterseiten, da bekommt das Kind große Angst. Sturm und Hagel gehen nieder auf das Kind. Einer schüttet dem Kind heiße Brühe über den Körper, sodass dieser Blasen wirft. Einer reißt dem Kind die Fortsätze ab. Einer trachtet ihm nach seinem Eiklar. Eine will ihm das Herz hinausschneiden. Wo auch immer es sich hinsetzen möchte, sitzt schon einer und verweist auf sein Eigentum. Wo auch immer es eine Frucht pflücken und essen möchte, funkt einer dazwischen und verweist auf sein Eigentum.
Wann wurde die Erde vergeben und mit welchem Recht? Hat nicht jeder, der geboren wird, ein Recht? Das Kind lernt sich zu schützen, bekommt eine Wetterseite, findet einen Platz, Eigentum und ist drinnen im System und muss fortan sein Eigentum schützen und vermehren. Die Kugel entwischt durch eines meiner Nasenlöcher und wieder löst der Spieler eine neue Kugel. Meine Organe sind schon ganz wund. Hat er nie genug? Er ist offenbar ein Süchtiger.
Europa. Ein Dunkelhäutiger trifft nächtens auf eine Gruppe Kahlgeschorener mit schwarzen schweren Stiefeln. Sie nehmen ihn in ihre Mitte, Wen haben wir denn da, wie heißt du denn?, Na wir nennen dich der Einfachheit halber, Bimbo, ist doch ein schöner Name oder nicht, schubsen sich seinen Körper zu, gängeln ihn, zwingen ihn zu Boden, brüllen ihn an, Du nimmst uns Arbeitsplätze weg, du verkaufst uns Drogen, mach den Mund auf, du hast sicher eine Kugel voller Koks im Mund fertig für den Verkauf, du kleines Hamstertier, du pflanzt uns Aids-Viren ins Blut, du bist schlecht, Bimbo, ja, du bist schlecht, du verdienst Strafe, treten ihn, schlagen ihn, rammen ihm ein Messer in den Leib, und stieben auseinander.
Aus seiner geöffneten Seite rinnt ein starker Strahl an Blut vermischt mit Träumen, in denen geschrieben steht, dass er erst aufblühen, gigantisch blühen, in der Folge langsam abblühen und die Blütenblätter fallen lassen wollte, so wie jeder Mensch. Er wollte seinen Tod reifen lassen, so wie jeder Mensch. Blut und Träume rinnen den Gehsteig entlang und fallen in ein dunkles Loch.
Am Morgen stürzen sie sich auf den Kadaver und plündern ihn – Titelstorys, Analysen, Betroffenheit, Parteiprogramme, Schuldzuweisungen. Schick mir eine gewaltige Meerflut, Gott, und wasch mir das Blut aus, betet ein junger Mann, der an seiner Fremdheit leidet und sich an den Toten erinnert, von dem er in der Zeitung gelesen hat, den sie gemordet haben, weil er fremd war, schick mir eine gewaltige Meerflut und wasch mir das Blut aus und fülle mich mit dem Blut der anderen, vielleicht kann ich ihrem Messer dann entkommen. Die Kugel fällt bei meinem Ohr hinaus und schon ist die nächste zur Stelle. Ich habe es mit einem Süchtigen zu tun.
Ein älterer Mann lässt sich von einer jungen Frau zwischen seinen Fettfalten kraulen und streicheln und führt ihre Hand zu seinem Geschlecht, das ihm wie eine missratene, fleischige Pipette aus der Hüfte sticht, und beginnt zu stöhnen und stößt ihren Kopf zu seiner missratenen Pipette. Es ekelt sie, aber sie braucht die Kohle, die er ihr schon auf den Tisch gelegt hat, und nimmt die Pipette in ihren Mundraum und saugt sein Sperma zu Tage und trinkt es, schluckt es, das muss sie nicht, nein das muss sie nicht, aber weil ihn das furchtbar anmacht, wenn sein Sperma in ihren Magen gelangt, mein Gott, wie ihn das anmacht, da hat er das Gefühl, dass er gleich noch einmal kommen kann, und er dann immer noch etwas auf den Kohlenhaufen legt, macht sie es und schluckt den Scheiß, ja sie schluckt den Scheiß, Gib her, ich mach, ich schluck den Scheiß, ich brauch die Kohle, gib her, ich mach, ich schluck den Scheiß, ich brauch die Kohle, ist noch keiner dran gestorben, schmeckt nicht gut, aber ist noch keiner dran gestorben, und bringt Kohle.
Dann nimmt er ein Messer, das hat er noch nie getan, zwingt sie auf den Rücken, das hat er noch nie getan, fixiert sie, das hat er noch nie getan, ritzt ihr seinen Namen in den Bauch, das das hervortretende Blut in Erscheinung bringt, und salzt ihre Wunden kräftig, das hat er noch nie getan. Ich will dich zeichnen, verstehst du, ich will, dass du ein Mal von mir trägst, du sollst an mich denken, einer soll an mich denken. Sie schreit, kotzt sein Sperma wieder hervor. Sie braucht einen Zuhälter, sie braucht einen, nach dem sie jetzt rufen könnte.
Weg die Kugel, eine neue Kugel.
Eine sechsköpfige Familie ist unterwegs in den Urlaub. Eine gute Stimmung herrscht im Auto. Die Mutter spielt mit den Kindern Stadt-Land-Fluss, um diese bei Laune zu halten. Das Reifenprofil löst sich, der Reifen zerplatzt, das Auto dreht sich, fetzt gegen die Leitplanke, wird von einem nachkommenden Auto abgeschossen. Die Hälfte der Familie ist ausgelöscht und einer der Nichtgelöschten querschnittgelähmt. Da treibt die Kugel meine Scheiße, die mein Körper wie ein Heiligtum tief in sich gehortet hat, an, treibt sie beim Scheißloch hinaus, ein riesiger Scheißhaufen, und schießt dort selbst hinaus. Der Spieler ekelt sich, zögert, ja endlich zögert er, scheint aufhören zu wollen, fasst sich aber dann doch noch eine Münze und das Spiel beginnt.
Ein Mann rollt morgens in einen Betrieb, lässt seine Kraft, bekommt ein paar Geldstücke und ernährt damit sich und eine Handvoll Menschen. Am nächsten Tag rollt der Mann wieder in den Betrieb, gibt seine Kraft für ein paar Geldstücke, und am übernächsten auch und am überübernächsten wieder, bloß am Wochenende setzt er aus, unterbricht den ewigen Kreislauf, um am darauffolgenden Tag wiederum in den Betrieb zu gehen. Da beginnen Gerüchte zu kursieren, dass die Produktion verlegt wird und zwar außer Landes, wo die Arbeit billiger erledigt wird, denn das Endprodukt muss billiger werden und der Output für die Aktionäre muss erhöht werden. Die Gerüchte verdichten sich. Politische Gespräche scheitern. Da wird ihm ein Einschreiber zugestellt, Sie sind gekündigt, es tut uns leid, auf Wiedersehen.
Der Mann sucht einen neuen Betrieb und findet keinen, niemand will seine Kraft. Es fehlen ihm Geldstücke, Selbstachtung und Achtung durch andere, Verwirklichung durch Kraftanwendung. Es hilft ihm keiner. Nur der Alkohol löst ihm für die Dauer seiner Wirkung das Unerträgliche auf, aber nach der Wirkung ist es wieder ganz dick da. Da bahnt sich die Kugel ihren Weg aus mir. Der Spieler ist unkonzentriert und verspielt eine Kugel nach der anderen.
Eine Mutter kleiner Kinder fällt in Ohnmacht, weil ihr ein Tumor im Gehirn auf ein wichtiges Zentrum drückt, drei Wochen nach der Ohnmacht und Diagnose ist sie tot. Papa, wo ist die Mama jetzt?, wollen die Kinder wissen. Ich weiß es nicht, aber es wird schon gut sein, ich glaube, dass es gut dort ist, wo auch immer dort sein mag.
Ein Mann, dessen Sperma nicht zeugen kann, wird von seiner Frau verlassen. Es gibt gar keine Liebe, denkt er. Es gibt überhaupt nicht so viele Jacken, dass ihm wieder warm werden könnte.
Die Frau kann nicht mehr und will nicht mehr. Sie geht und wirft die Tür ins Schloss. Hinter der Tür eine Zweieinhalbjährige und eine Zehnmonatige. Die Tür ist im Schloss. Sie geht. Sie weiß, dass keiner kommen wird. Sie erzieht die Kinder allein. Sie geht zu einer Freundin. Die Kinder sind so enervierend, sie mag nicht mehr zurück, nie mehr zurück. Das kann sich keiner vorstellen, wie enervierend zwei kleine Kinder sein können. Die Kleine will ständig getragen werden, sobald man sie auf dem Boden absetzt, schreit sie, und auch in der Nacht schläft sie nicht durch, sondern will ständig gestillt werden und bei der Mama liegen. Die Große bekommt bei jedem "Nein" Schreikrämpfe und wälzt sich am Boden. X-mal am Tag muss sie die Kleine wickeln oder hat Arbeit mit der Großen, die vergessen hat, auf den Topf zu gehen und in einer Lululacke steht. Das kann sich echt keiner vorstellen, wie enervierend zwei kleine Kinder sein können.
Und der dazugehörige Vater hat sich geschlichen, das war ihm zu viel Action diese zwei Kinder und er hat nicht verstanden, dass sie keine Lust mehr hatte, dass er ihr jeden Tag den Schwanz hineinsteckt. Er hat weniger Kinder-Action und mehr Schwanz-Hineinstecken gewollt. Er hat sich geschlichen. Die fällige Kohle, denn von irgendetwas muss man die Kinder ja füttern und anziehen, überweist er natürlich nicht, sodass sie auf staatliche Hilfen angewiesen ist, die ihr nie reichen. Die Frau mag nicht mehr. Die Tür ist im Schloss. Hinter der Tür die Zweieinhalbjährige und die Zehnmonatige. Die zwei sollen schauen, wie sie weiter kommen, echt die sollen schauen, wie sie weiterkommen, das kann doch nicht ihr Lebensinhalt sein, dass sie rund um die Uhr für diese unersättlichen Gestalten da ist. Tschüß.
Irgendwann wird den Nachbarn das Geschrei zu viel und sie klopfen und klingeln und lassen schließlich die Tür, die sie ins Schloss hat fallen lassen, aufbrechen. Die Tür ist offen. Die Zehnmonatige ist tot. Sie hätte Flüssigkeit gebraucht. Die Zweieinhalbjährige lebt. Es geht ihr nicht gut, ihrem Körper geht es nicht gut und ihrer Seele wird es noch lange schlecht gehen. Ziemlich schnell spürt die Polizei die Frau auf und führt sie in eine Zelle. Bald schon kommen die Reporter und bald fragt sich der ganze Staat, Was war denn das für eine Frau? Und in einer Behörde kramt einer in seinen Unterlagen, um zu sehen, ob er hätte ahnen müssen, dass sich diese Katastrophe ereignen wird, denn Schuldige werden gesucht, es braucht Schuldige und die Mutter allein reicht nicht. Der Spieler zögert und geht, endlich, endlich, endlich, geht, ist ums Eck, wird wohl nicht mehr zurückkommen, bitte komm nie wieder, komm nur nie wieder.
Ich erwache aus dem schlechten und trotzdem tiefen Schlaf. Ich bin eine Wunde, ein Stück offenes lebendes Fleisch und die Luft, die mich berührt, schmerzt. Ich möchte schreien. Ich möchte weinen. Ich möchte mich in den Tod verkriechen. Auf ein solches Leben war ich nicht neugierig. Meine Kraft ist dahin, meine Neugier ist weg. Ich bin nicht mehr Frühling. Meine Sinne sind vernagelt. Was der Bauer begonnen hat, hat der Flippermann zu einem Ende geführt.
Licht rinnt in die Nacht und macht den Tag. Da zerreißt der nahende Bauer den Strick der Ruhe Faser um Faser, nicht schon wieder. Er trägt die Körner des Lebens heran, n e i n nicht schon wieder, um Himmels Willen, nein danke, keine Lust. Als die erste Faser reißt, sprengen die Rehe davon. Als die zweite Faser reißt, drücken sich die Spinnen an den Rand der Ackerfalte. Als die Ruhe nur mehr an einem ganz seidenen Faden hängt, werden die Krähen Teil der Luft. Ich rufe den Geflohenen nach, aber weder kommen die Rehe zurück, mir das Pferd zu machen, noch die Krähen, mir das Flugzeug zu sein.
Als der seidene Faden, an dem die Ruhe gerade noch hängt, im Reißen ist, werfe auch ich mich unbemerkt vom Ackerbett und verstecke mich hinter einem Busch, nein ich bleibe ganz sicher nicht, ich bin ja kein Masochist. Aus dieser sicheren Position betrachte ich den Bauern, der die Körner des Lebens aus seiner Schürzentasche nimmt und in die Ackerfalten hageln lässt, so wuchtig, dass sie tief ins Erdreich und bis zur Erdmitte dringen, Erdgeschoße sind das.
Ich streiche mit meinen Fingern über meine noch nicht verheilten Wunden, meine Haut ist teils verkrustet und teils eitrig, und bin froh, dass ich mich davon geschlichen habe, nein mich bekommst du nicht mehr. Erst als der Bauernkasten wieder gegangen ist, zum Glück hat er mich nicht gesucht, ja geh wieder in deine Bauernstube blöder Bauernkasten, und der Strick der Ruhe vom Himmel baumelt, wage ich mich gemeinsam mit Rehen, Spinnen und Krähen auf den Acker. So lässt es sich leben, ja so lässt es sich eindeutig leben, immer wenn der Bauer kommt, schleiche ich mich und krieche erst wieder hervor, wenn er gewichen ist. Ich habe eine Höhle gefunden, das ist meine Nische. So etwas gibt es auch im Meer, dass sich abseits der Strömung in Nischen ein ganz eigenes Leben entwickelt, das innerhalb der Strömung nicht möglich wäre, weil sie alles mitreißt, wegreißt. Ich sitze in meiner Nische. Den Flippermann kann ich nicht fernhalten, er kommt ungefragt und hat einfach Zugang zu mir besonders im Schlaf, aber auch er gibt mir Ruhezeiten.
Eines Tages naht wieder der Bauer. Ich bin gerade in einiger Entfernung von meiner Höhle und beginne zu laufen. Ich laufe. Der eine Fuß trägt, der andere wirft sich nach vorne, schon trägt wieder der andere und der eine wirft sich nach vorne. Die Folge ist schnell. Ich laufe. Mir rinnen die Strümpfe von den Beinen. In der Höhle meiner Armmündungen sammeln sich Tropfen und tränken meine Oberbekleidung, das kann ich überhaupt nicht leiden, aber ich würde nicht so weit gehen und mir dagegen Botox spritzen lassen, Schwitzen gehört dazu, das ist menschlich. Das gestaltete Haar löst sich durch den Lauf. Immer schneller reiße ich mir Luft in die Lungen. Regelmäßig konzentriere ich mich auf den Strick der Ruhe, der immer dünner wird. Ich schaufle Kohle nach. Und ich fege und fege. Plötzlich Zusammenstoß. Ich habe dich nicht gesehen und bin in dich hineingelaufen oder du in mich oder wir ineinander. Ich fühle an meine Stirn. Das schmerzt, da wird mir eine Beule wachsen, oh nein da ist sogar Blut. Blick zu dir. Ebenfalls Blut. Da sehe ich im Augenwinkel den Strick der Ruhe nur mehr an einem seidenen Faden hängen und laufe weiter und entkomme dem Bauern. Zuhause muss ich an dich denken und ohne es zu wissen beginne ich zu hoffen.