Krise noch nicht ausgestanden

Irland: Geisterstädte nach Immobilienboom

In Irland hat die Krise Spuren hinterlassen, die immer noch sichtbar sind: Rekord-Staatsdefizit, Geistersiedlungen und Abwanderung junger Iren. Weil das Land früh begonnen hat zu sparen, und Firmen Exportüberschüsse erwirtschaften, stehen Irlands Chancen besser als die der Mittelmeerländer.

Mittagsjournal, 17.08.2010

Geistersiedlungen nach Immobilienboom

In der Wohnsiedlung Ascail Ras in der irischen Provinzstadt Carrickmacross sind von gut zwei Dutzend Einfamilienhäusern nur fünf verkauft. Carrickmacross liegt mit seinen 5.000 Einwohnern 90 Kilometer von der Hauptstadt Dublin entfernt. In den Zeiten der Maßlosigkeit gehörte es trotzdem zum Pendlergürtel. Die leer stehenden fertigen Gebäude sind verstaubt, durch die Fensterscheiben kann man die Werkzeuge von Handwerkern erkennen. Türklingeln funktionieren nicht, es hilft nur das ohnmächtige Klappern mit dem Briefschlitz. Die Siedlung hätte etwa doppelt so groß werden sollen. Jetzt harren halbfertige Bauskelette der Vollendung, Baumaterialien liegen aufgetürmt herum. Das ist eine Geistersiedlung - "a ghost estate". Untersuchungen behaupten, es gebe über 600 dieser Gebilde in der Republik Irland. Das ist das Vermächtnis des Immobilienbooms. In einer Geistersiedlung, erklärt der Makler Shane O’Hanlon, sei die Hälfte der Häuser entweder unbewohnt oder gar nie gebaut worden.

Die fünf unglückseligen Käufer von Häusern in Ascail Ras haben nicht nur eine Werteinbuße von 30 bis 50 Prozent verkraften müssen, sie sitzen buchstäblich fest. Hier würde niemand ein Haus kaufen, bestätigt der lokale Experte O’Hanlon beim Wegfahren: "Die müssen da bleiben."

Steuererleichterung lockte Spekulanten

Ermutigt durch staatliche Steuererleichterungen verschuldeten sich die Spekulanten, die Siedlungen wie diese bauten, bei irischen Banken. Der Staat verließ sich einseitig auf die Transaktionssteuern des überhitzten Immobilienmarktes. Inzwischen sind diese Einnahmen versiegt und das staatliche Defizit hat Rekordhöhen erklommen. Zusätzlich muss der geplagte Steuerzahler den fahrlässigen Banken neues Kapital zur Verfügung stellen. Allein Anglo Irish Bank, die Hausbank der größten Spekulanten, soll über 24 Milliarden Euro erhalten - vermutlich auf Nimmerwiedersehen.

Irland wäre nicht an Eurokrise Schuld

Dennoch werden Irlands Chancen im Euroraum günstiger beurteilt als das Schicksal notleidender Mittelmeer-Länder. Zum einen haben die Iren früher und radikaler begonnen zu sparen. Zum anderen erwirtschaften multinationale Firmen noch immer Exportüberschüsse für Irland. Das bedeutet, Irland wird kaum der Anlass für die Apokalypse des Euro sein. Sollte eine derartige Krise ausbrechen, dann wird auch Irland kaum der Krise widerstehen können.

Junge Leute wandern aus

Der irische Immobilienmarkt jedenfalls wird noch lange Jahre übersättigt bleiben. Der Makler O’Hanlon weiß warum: "Die jungen Leute, die früher ihr erstes Eigenheim hier gekauft hätten, wandern jetzt nach Australien oder Kanada aus, um Arbeit zu finden.