Wer profitiert vom medizinischen Fortschritt?

Gesundheit ungleich verteilt

Die Gesundheit als Gut ist ungleich verteilt, meint die ehemalige Bereichs-Direktorin der Weltgesundheits-Organisation WHO Ilona Kickbusch beim Europäischen Forum Alpbach. Vom medizinischen Fortschritt profitieren nicht alle Menschen gleich. Bildung sei der Schlüssel, denn Akademiker hätten eine höhere Lebenserwartung.

Mittagsjournal, 23.08.2010

Mehr als Medikamente und Operationstechniken

Die Lebenserwartung steigt. Einst tödliche Krankheiten werden zu chronischen Erkrankungen, Gesundheit wird zum Breitenthema. Der medizinische Fortschritt beinhaltet mehr als moderne Medikamente und ausgefeilte Operationstechniken. Für die ehemalige Bereichs-Direktorin der Weltgesundheits-Organisation Ilona Kickbusch bedeutet medizinischer Fortschritt nicht nur Prävention und die Umsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in gesundheitspolitische Strategien, sondern auch die Art und Weise, wie Versorgungssysteme organisiert sind.

Unterschichten sind kränker

Wer profitiert von diesem medizinischen Fortschritt? Ist es die Industrie oder die Gesellschaft, etwa durch Arbeitsplätze? Oder ist es das Individuum, das profitiert? Wer profitiert nicht? Neue Medikamente und neue Therapien seien anfangs aus Kostengründen meist nicht allen zugänglich, meint Kickbusch.

Gesundheit als Gut sei ungleich verteilt: "Menschen, die der unteren sozialen Schicht angehören, sind kränker. In Österreich beträgt der Unterschied zwischen Akademikern und weniger Gebildeten bis zu sieben Jahren Lebenserwartung. Diese Aspekte können nicht nur über Gesundheitsforschung gelöst werden." Diese Aspekte müssten politisch gelöst werden als Fragen der Verteilung und Solidarität der Gesellschaft, so Kickbusch.

Dazu bedürfe es Forschung, die genau danach sucht und danach fragt, wie Gesundheit in der Gesellschaft verteilt ist und verteilt wird, so Ilona Kickbusch.

Schlüsselfaktor Bildung

Das Geld im Gesundheitssystem ist knapp. Auf die Frage, ob es im Sinne der Gesundheitsförderung eher in Bildung und Armutsbekämpfung investiert werden sollte, denn in Medizin, antwortet Kickbusch: "Bildung ist das wichtigste Kriterium. Denn Bildung ermöglicht an der Gesellschaft teilzunehmen und es bedeutet Aufstiegschancen sowie die Möglichkeit zwischen verschiedenen Optionen wählen zu können."

Man solle natürlich in Zukunft nicht nur in die Bildung investieren und die medizinische Forschung somit außer Acht lassen, aber eine gesunde Gesellschaft braucht harte politische Entscheidungen, meint Ilona Kickbusch.

"Zünfteähnlichen Kampf" beenden

Die ehemalige WHO-Direktorin schlägt integrierte Versorgung unter starker Einbeziehung der Patientinnen und Patienten vor, statt eines "zünfteähnlichen Kampfes zwischen den Bereichen der Medizin". Der zweite Vorschlag ist, psychische Erkrankungen und Süchte mehr medizinisch zu erforschen. Als dritten Punkt sollte Gesundheit ein Thema aller Politikbereiche sein, wie zum Beispiel der Turnunterricht oder die Tabakgesetze.

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Ilona Kickbusch
Ilona Kickbusch - Studie: Gesundheit als öffentliches Gut
WHO - Weltgesundheitsorganisation