Tausende Euro pro Verfahren

Rechtsanwälte gegen "Kopier-Wucher"

Für Beschuldigte, Opfer oder Privatbeteiligte können in einem Gerichtsverfahren einige tausend Euro nur für das Kopieren der Gerichtsakten zusammenkommen, kritisieren die Rechtsanwälte. Auch wenn man freigesprochen wird, bekommt man diese Kosten nicht zurück. Die Rechtsanwaltskammer fordert eine elektronische Aktenübermittlung zu vernünftigen Preisen.

Morgenjournal, 16.09.2010

Akt mit drei Millionen Seiten

Wer in eines der derzeit laufenden Großverfahren involviert ist, hat Pech: Denn das kann ganz schön teuer werden. Bei Monsterverfahren, wie den Ermittlungen rund um die Kärntner Hypo-Alpe-Adria-Bank umfasst der Gerichtsakt mittlerweile über drei Millionen Seiten, mit Einvernahmeprotokollen, Polizeiberichten, Zeugenaussagen und beschlagnahmten Datenmaterial. Will ein Anwalt auch nur die wesentlichen Teile für seinen Mandanten daraus kopieren, bedeutet das tagelanges Sichten des Aktes bei Gericht und hohe Kosten für den Mandanten.

"Gesetzliche Verpflichtung"

Für den Präsident der Rechtsanwaltskammer, Gerhard Benn-Ibler ist das eine unakzeptable Situation, die aus seiner Sicht nicht mit der Menschenrechtskonvention, nämlich dem Recht auf ein faires Verfahren, in Einklang zu bringen ist. "Es besteht die gesetzliche Verpflichtung, dem Verteidiger billig und schnell und umfassend diese Dinge zur Verfügung zu stellen."

Elektronisch und billiger

Bei anderen Behörden, etwa Landesregierungen oder der Baupolizei, zahlt man 20 Cent pro Kopie-Seite. Bei Gericht kostet es hingegen 50 Cent, wenn der Anwalt selbst am Kopiergerät steht, und einen Euro, wenn die Kopie von Justizbediensteten angefertigt wird. Die Rechtsanwaltskammer schätzt, dass der Staat durch diese Gerichtsgebühr jährlich 2,4 Millionen Euro einnimmt. "Das ist Steinzeit", kritisiert Benn-Ibler. Denn die Lösung wäre im Computerzeitalter sehr einfach, sagt Benn-Ibler, nämlich durch elektronische Datenübermittlung. Das dürfte dann auch etwas kosten, "aber nicht für 20.000 Seiten 20.000 Euro." Sondern einen angemessen, leistungsgerechten Betrag.

Resolution geplant

Doch derzeit funktioniere das weder bei der Justiz noch bei der Polizei, kritisiert Benn-Ibler. Deshalb planen die Rechtsanwälte bei ihrem Kammertag in Salzburg eine Resolution gegen die hohen Gebühren und für elektronische Aktenübermittlung.

"Überwachungsaufwand"

Im Justizministerium will man die Kritik so nicht hinnehmen. Hier rechtfertigt man die hohen Kopierkosten mit erhöhtem Überwachungsaufwand zum Schutz der Akten vor Manipulation. Das gilt auch für elektronische Akten. Wobei hier allerdings nur ein Euro pro Datei zu zahlen ist, unabhängig davon, ob sich darin nur eine Seite oder mehrere Aktenseiten befinden, heißt es im Justizministerium.

Elektronisierung in Arbeit

Im Übrigen arbeite die Justiz intensiv daran, so viele Bereiche wie möglich elektronisch abzuwickeln. Allein im Juni 2010 wurden fast 500.000 Rechtsangelegenheiten via elektronischem Rechtsverkehr erledigt, heißt es aus dem Büro von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner.