Keine Kooperation mit Rechtsextremen

Schweden: Instabile Minderheitsregierung

In Schweden ist nichts mehr wie es war. Die gut neun Millionen Bewohner des skandinavischen Musterlandes sind heute aufgewacht mit einer rechtsradikalen Partei in ihrem Parlament und einer bürgerlichen Allianz, die zu wenig Stimmen erhalten hat, um stabil regieren zu können. Ihre erfolgsverwöhnten schwedischen Sozialdemokraten haben mit rund 30 Prozent das schlechtestes Ergebnis in fast hundert Jahren eingefahren.

Mittagsjournal, 20.09.2010

Keine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen

Als Frederik Reinfeldt noch am Samstag den Wählern zurief "Wer ein stabiles Schweden will, darf nicht die Schwedendemokraten wählen“, da hatte er wohl genau das heutige Szenario vor Augen. Er hatte sich schon eher, wenn auch lange zögerlich, so am Ende doch deutlich gegen eine Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten ausgesprochen und dies in der Wahlnacht vor jubelnden Anhängern wiederholt.

Reinfeldt braucht Unterstützung von außen

Ich habe es deutlich gesagt, so der Sieger, der doch verloren hat, wir werden uns nicht von den Schwedendemokraten abhängig machen. Doch was nun? Reinfeldt wird mit einer Minderheitsregierung antreten, aber er kann das nicht, ohne von einer oder wechselnden Parteien zumindest toleriert zu werden.

Grüne reagieren kühl

Bei der Bestätigung im Reichstag geht es darum, dass er keine absolute Mehrheit gegen sich hat, es müssen sich also mehrere Angeordnete oder eine der Parteien außerhalb seiner Vierer-Allianz der Stimme enthalten. Das wird er erkaufen müssen. Die Grünen hat Reinfeldt bereits angesprochen. Sie haben vorerst sehr kühl reagiert und erklärt, ihrem Bündnis mit den Sozialdemokraten treu zu bleiben. Es gibt einige, die nicht ausschließen, dass die Grünen, oder zumindest Teile von ihnen am Ende doch mitmachen. Aber zu welchem Preis für Reinfeldt? Grünenführerin Maria Wetterstarnd hat gestern gleich mehrere Punkte erwähnt, die ihr an den Bürgerlichen missfallen: ihre Klimapolitik, dass sie die Atomkraft vorantreiben, und dass sie Kranken- und Arbeitslosenversicherung teurer gemacht haben. Also hier weiß Reinfeldt, woher der Wind weht.

Sehr instabile Regierung

Die Schwedendemokraten sind gierig danach, von der Regierung gebeten zu werden. Aber ob Reinfeldt sich das leisten kann, bleibt abzuwarten. Tatsache ist, dass eine extrem unstabile Situation herausgekommen ist, die – wenn sie festgefahren bleibt – früher oder später in Neuwahlen müden könnte.

Wohlfahrtsstaat nicht in Frage stellen

Frederik Reinfeldt ist nach seinem Erfolgsweg erst einmal in der Sackgasse. Sein Kurs, Schwedens moderater Partei einen Imagewechsel zu verpassen, sie von einer Klientelpartei für Reiche in eine Partei der Mittelschichten zu verwandeln, hat sich ausgezahlt. Der besonnen wirkende 45-jährige Familienvater mit glänzender Glatze hat verstanden, dass man in Schweden Wahlen nur gewinnen kann, wenn man den Wohlfahrtsstaat nicht in Frage stellt. Und er dürfte wissen, dass er viel riskiert, wenn er im Land der Toleranz und Liberalität gemeinsame Sache mit den Schwedendemokraten machen würde.

Schwedendemokraten: Ex-Faschisten

Die heutigen Zeitungen spiegeln großes Erschrecken über die Neuen im Parlament. Die Schwedendemokraten sind nämlich nicht "nur" eine rechtspopulistische Partei, wie andere europäische rechte Rabauken. Die Schwedendemokraten haben ihre Wurzeln im schwedischen Faschismus. Ihr Chef, der 31-jährige Jimmi Akesson hat vor Jahren mit drei Freunden beschlossen, die Partei salonfähig zu machen. Sie haben ihre Uniformen abgelegt, sich von den Skinheads getrennt und den alten Antisemitismus durch einen neuen Anti-Islam-Kurs ersetzt.

Schweden in der Identitätskrise

Der Kommentator der großen schwedischen Zeitung Svenska Dagbaldet analysiert auf der Titelseite eine Identitätskrise der Schweden. Er schreibt: "Eine bürgerliche Regierung ohne Mehrheit, eine gescheiterte Sozialdemokratie und ein Zünglein an der Waage mit rechtsextremen Wurzeln. Das ist der Montagmorgen und Zeit für die Schweden ein neues nationales Selbstbild zu entwerfen."