Bestechungsvorwürfe aus Ungarn

Hausdurchsuchungen bei den ÖBB

Ermittler der Korruptionsstaatsanwaltschaft haben am Montag Büros in der ÖBB-Unternehmenszentrale durchsucht und, wie das Magazin Format berichtet, auch die Wohnungen von drei Managern. Es geht um den verlustreichen Kauf der ungarischen Güterbahn MAV-Cargo und den Verdacht, dass dabei Schmiergelder geflossen sind.

Morgenjournal, 05.10.2010

Schmiergeld an Ungarn?

Die Ermittler in Wien arbeiten auf Ersuchen der Oberstaatsanwaltschaft Budapest. Die untersucht den Verdacht, dass bei einem Geschäft der ÖBB in Ungarn vor etwa drei Jahren Schmiergeld geflossen sei. Die ÖBB wollte die ungarische Güterverkehrsgesellschaft MAV-Cargo kaufen - was ihr schließlich auch gelungen ist. Zu diesem Zweck hat sie eine ungarische PR-Agentur engagiert. Von dieser Agentur wiederum, das haben die Ermittlungen in Ungarn ergeben, soll Schmiergeld an nicht näher genannte Entscheidungsträger in Ungarn geflossen sein. Die Behörden in Ungarn untersuchen nun den Verdacht, dass dieses Geld von den ÖBB gezahlt wurde, um den Zuschlag zu bekommen, was schließlich auch passiert ist.

Neuer ÖBB-Chef verspricht Kooperation

Welcher Verdacht sich konkret gegen die drei ÖBB-Manager richtet, ist unklar. Einer von ihnen ist der frühere Vorstand Gustav Poschalko. Sein Vorstandsvertrag ist inzwischen aufgelöst worden. Er hat aber einen Vertrag als Berater bekommen, eine Funktion, die er nach wie vor ausübt. Er berät aber nicht den neuen ÖBB-Chef Christian Kern, wie sein Sprecher am Abend ausdrücklich betont hat. Kern lässt ausrichten, das jetzige ÖBB-Management arbeite mit den Ermittlern zusammen und habe ihnen jede Unterstützung zugesichert. Es geht Kern auch darum zu klären, ob vielleicht auch die ÖBB geschädigt worden seien, sollte tatsächlich Korruption im Spiel gewesen sein.

Heute ist klar, dass der ÖBB einiges erspart geblieben wäre, wenn sie die ungarische MAV-Cargo nicht bekommen hätte. Bahn-Chef Kern sieht in der MAV-Cargo einen der größten Verlustbringer im Güterverkehr.

Details

723 Millionen Euro hat die Übernahme der MAV-Cargo die ÖBB bisher gekostet. Da war einmal der Kaufpreis von rund 400 Millionen Euro. Dazu mussten die ÖBB zig Millionen investieren, Schulden übernehmen und Verluste verkraften. Und wenn die Vorwürfe der ungarischen Behörden stimmen, dann sollen ÖBB-Manager zu allem Überfluss mehrere Millionen Euro an Schmiergeld gezahlt haben, damit das Geschäft zustande kommen konnte.

Mittagsjournal, 05.10.2010

Die Vorgeschichte

2007 hat die ungarische Staatsbahn MAV ihre Güterverkehrs-Tochter zum Verkauf angeboten. Die ÖBB, damals geführt von Martin Huber, haben sich interessiert gezeigt und - um die Kontakte zu den Entscheidungsträgern in Budapest zu verbessern - die Lobbying Firma Geuronet engagiert. Und die hat sich ihre Dienste teuer bezahlen lassen. Wie die Korruptions-Staatsanwaltschaft in Wien bestätigt, sind monatliche Raten von 10.000 Euro geflossen, und eine Abschlusszahlung von sechs Millionen. Da setzt der Verdacht der ungarischen Behörden an: Dieses Geld sei in Wahrheit verwendet worden, um Verantwortliche in Ungarn zu bestechen. Konkret ist von einem Staatssekretär im Verkehrsministerium die Rede, der mehrmals mit Leuten der Lobbying-Firma gesehen worden sein soll.

Offene Punkte

Zumindest einmal, so der Ermittlungsstand, sei auch der damalige ÖBB-Vorstand Gustav Poschalko dabei gewesen. Ein Treffen zwischen einem ÖBB-Manager und Verantwortlichen im ungarischen Verkehrsministerium wäre an sich noch nichts Besonderes. Worauf sich der konkrete Verdacht gründet, wollte eine Sprecherin der Korruptionsstaatsanwaltschaft heute nicht sagen. Auch Gustav Poschalko ist zu keiner Stellungnahme bereit, ebenso wenig die aktuelle ÖBB-Führung unter Christian Kern. Nur so viel: Die ÖBB arbeite mit den Ermittlern zusammen und sei an einer Aufklärung der Vorwürfe interessiert.

Unterlagen werden ausgewertet

Laut Korruptionsstaatsanwaltschaft wird auch der Vorwurf der Untreue untersucht. Das könnte also bedeuten, dass Bestechungsgelder gezahlt wurden, ohne dass die ÖBB-Führung davon gewusst hätte. In diesem Fall wären die ÖBB selbst geschädigt. Bei den Hausdurchsuchungen haben die Ermittler jedenfalls Unterlagen beschlagnahmt, die sie jetzt auswerten.