Optimismus trotz Umfragetief
Wahlkampfexperte glaubt weiter an Obama
In drei Wochen werden in den USA das Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt. Und glaubt man den Umfragen, könnten Barack Obamas Demokaten die Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus verlieren. Der Wahlkampfexperte Thomas Gensemer macht dafür die Wirtschaftslage verantwortlich und ist dennoch optimistisch.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 15.10.2010
Wütend auf Obama
Die Ausgangslage vor den Kongresswahlen ist kritisch für die Demokraten: "Die Menschen stellen sich mit Leidenschaft gegen die Regierung, sie brennen darauf, wütend zu sein auf Obama", sagt Thomas Gensemer, jener Wahlkampf-Experte, der vor zwei Jahren Obamas überaus erfolgreichen Internet-Wahlkampf konzipiert hat.
"Wut mobilisiert"
Eine Erklärung für diese allgemeine Wut zu finden, fällt Gensemer angesichts der in den USA immer noch nicht wirklich überwundenen Wirtschaftskrise nicht schwer: "Die Menschen haben keine Arbeit, sie können nicht erkennen, dass die Lage besser wird. Sie haben diesen harten politischen Kampf um die Gesundheitsreform erlebt, aber die wird erst im Lauf von drei bis fünf Jahren voll wirksam werden. Man sieht also noch keine Ergebnisse der schweren Arbeit, die die Regierung auf sich genommen hat. Und wenn man einen derartigen Trümmerhaufen erbt, wie es unsere Wirtschaft und unser Gesundheitssystem waren, dann kann man keine sofort spürbare Verbesserungen erzielen. Durch Wut kann man diese Probleme natürlich auch nicht lösen, Wut bringt die verlorenen Arbeitsplätze nicht zurück, aber es mobilisiert die Leute, wenn sie sich beschweren und alles der Regierung anlasten können."
Extrem nach rechts
Genau diese Stimmung nützt die Opposition nun aus, meint Thomas Gensemer: "Die Republikaner treten gegen alles auf, und nicht für irgendetwas. Und das gibt ihnen bei dieser Wahl große Freiheiten: Sie können viel Zorn wecken, Angst wecken, Misstrauen wecken - und gleichzeitig müssen sie keinen eigenen Standpunkt einnehmen. Wenn man sich die Kandidaten ansieht, die sie aufgestellt haben, dann setzen sie nicht auf Erfahrung. Es geht nur um neue Gesichter, die auf die Basis anziehend wirken. Politisch haben sie sich extrem nach rechts bewegt. Und sie hoffen natürlich, dass die Amerikaner sich nur an die vergangenen zwei Jahre erinnern, und nicht daran, was vor vier oder sechs Jahren war, als die Republikaner an der Macht waren. Das ist ihre Strategie. Ob man damit die Wahlen gewinnen kann, werden wir aber erst noch sehen."
Zu hohe Erwartungen
Ist an den schlechten Umfragewerten des Präsidenten und der Demokraten ganz allgemein also tatsächlich nur die Wirtschaftskrise Schuld? Hat Obama als Präsident keine Fehler gemacht? Nein, sagt Gensemer, im großen und ganzen nicht, aber "die Erwartungen an Obama waren sehr hoch, und die Probleme sind unterschätzt worden." Eine Situation vielleicht, in der es jeder Politiker schwer hätte.
Kampf um Junge
Jene Wähler jedenfalls, die zu einem guten Teil für Obamas Sieg entscheidend waren und die Gensemer vor zwei Jahren durch die von ihm geplante Internet-Kampagne so begeistern konnte, die Jungen nämlich, die sind von Obama nicht wirklich enttäuscht, sagt der Wahlkampf-Experte. Sie haben nur das brennende Interesse für Politik wieder verloren, müssen erst noch motiviert werden, auch tatsächlich wählen zu gehen.
Wieder auf die Straße
Und um diese Wähler-Mobilisierung zu erreichen, mischt sich nun Barack Obama persönlich wieder in den Wahlkampf, tritt seit einige Tagen gemeinsam mit den um ihre Wiederwahl kämpfenden Senatoren und Abgeordneten auf: "In den abschließenden Wochen geht es darum, den Präsidenten hinaus auf die Straßen zu bringen. Er ist am besten, wenn er nicht im Weißen Haus sitzt, sondern bei Massenkundgebungen im ganzen Land auftritt. Und genau das wird er den nächsten Monat tun. Er ist einfach ein wahnsinnig guter Wahlkämpfer. Und ich habe keine Zweifel, dass es diesen Enthusiasmus für ihn immer noch gibt."
Dennoch optimistisch
Und so bleibt Wahlkampf-Experte Gensemer auch optimistisch, was das Ergebnis der Wahl für die Demokraten betrifft. Es wird extrem spannend, so seine Prognose, aber letztlich würden die Demokraten allen Umfragen zum Trotz sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus ihre Mehrheit behalten.
Thomas Gensemer war auf Einladung des Fundraising Verband Austria in Wien zu Gast.