Fürchten Staaten um ihre Macht?
Ringen um EU-Steuer
Für Viele ist es ein Reizwort: die EU-Steuer. Sie soll nach dem Willen der Europäischen Kommission in Zukunft zur Finanzierung der gemeinsamen Aufgaben der Europäischen Union eingehoben werden. Dafür würden die Mitgliedsbeiträge an die Union zurückgehen. Bislang wurde die Idee immer wieder verworfen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 20.10.2010
Neue Regeln ab 2014
Budgetverhandlungen sind überall von einem heftigen politischen Tauziehen begleitet, in Europa genauso wie auf nationaler Ebene. In zwei Jahren läuft der gültige siebenjährige Budgetrahmen der Europäischen Union aus. Ab 2014 gibt es völlig neue Regeln. Den Startschuss für die Schlacht ums Geld setzt jetzt die Europäische Kommission mit dem Vorschlag, das Gemeinschaftsbudget in Zukunft verstärkt über EU-Steuern zu finanzieren. Dafür soll es geringere Überweisungen aus den Mitgliedsstaaten geben.
Hauen und Stechen um Gelder
In absoluten Zahlen geht es um viel Geld. Etwa 140 Milliarden Euro jährlich beträgt das EU-Budget. Im Vergleich zu den nationalen Haushalten ist das jedoch minimal, knapp ein Prozent des Bruttonationalprodukts fließen nach Brüssel. Aber in einer Zeit der knappen Kassen droht auch um dieses bescheidene Prozent ein brutales Hauen und Stechen, das die Kommission vermeiden möchte.
EU will eigene Einnahmequellen
Einigt man sich auf eine EU-Steuer, so könnte man sich die traditionellen Auseinandersetzungen zwischen Nettozahlern und Nettoempfängern sparen. Haushaltskommisar Janusz Lewandowski sieht mehrere Möglichkeiten um Eigenmittel für die EU zu schaffen: den europäische Anteil einer Steuer auf Finanzaktivitäten, eine EU-Flugabgabe oder eine eigene EU-Mehrwertsteuerrate. Auch bei Energiesteuern und Körperschaftssteuern könnte es nach Meinung der Kommission eigene EU-Anteile geben.
Sonderrabatt für die Briten
Das neue System ab 2014 wäre einkommensneutral, im Gegenzug würden die Überweisungen aus den Mitgliedsstaaten zurückgehen. Freunde macht sich der Haushaltskommissar mit diesen Ideen keine. Großbritannien, das eifersüchtig über dem noch von Margaret Thatcher ausgehandelten Sonderrabatt wacht, sagt beim Thema EU-Steuer fast reflexartig nein. Auch Deutschland und andere große Beitragszahler sprechen sich gegen neue direkte EU-Abgaben aus.
Regierungen haben Angst um Einfluss
Eigene Einnahmequellen würden bedeuten, dass europäische Institutionen wie das Europaparlament oder die Kommission weniger als bisher von der Gnade der Mitgliedsstaaten abhängig wären. Das passt vielen Regierungen nicht ins Konzept. Österreichs Finanzminister Pröll hat die Debatte anders als die Kollegen in Berlin und Paris begrüßt.
Mehr Aufgaben für weniger Geld?
EU-Steuer oder nicht, in den nächsten beiden Jahren muss es eine Klärung geben, denn das bisherige Finanzierungsmodell läuft 2013 aus. Ebenfalls zu diskutieren werden mögliche finanzielle Umschichtungen sein. Die Niederländische Minderheitsregierung will ihren Beitrag nach Brüssel um eine Milliarde Euro kürzen. In allen Hauptstädten wird gespart. Gleichzeitig übertragen die Mitgliedsstaaten der EU aber zusätzliche Aufgaben.
Kampf der Lobbyisten
Vier neue Aufsichtsbehörden für die Finanzwelt sind im entstehen. Außenpolitik Catherine Ashton baut einen Europäischen Diplomatischen Dienst auf. Die EU soll Forschung und Entwicklung fördern. Die größten Budgetbrocken machen die Gelder für die Landwirtschaft oder die Strukturfonds für schwächere Gebiete aus. Sie werden mit Zähnen und Klauen von gut organisierten Lobbys verteidigt. Auf die nächsten Züge im großen Ringen um die EU-Gelder in der nächsten Budgetperiode zwischen 2014 und 2021 darf man gespannt sein.