Neue Schuldenkrise verhindern

Kaum Annäherung um Stabilitätspakt

Die Finanzminister beraten in Luxemburg über die geplante Verschärfung des Stabilitätspaktes, mit der man verhindern will, dass sich Schuldenkrisen wie in Griechenland wiederholen. Allerdings liegen auch nach monatelangen Verhandlungen die Ansichten noch weit auseinander.

Mittagsjournal, 18.10.2010

Vorarbeit für Herbstgipfel

Es geht darum, welche Sanktionen es geben soll, wenn Eurostaaten dauerhaft ihre Budgetziele verfehlen. Und die Zeit drängt. Denn schon beim Herbstgipfel der Staats- und Regierungschefs nächste Woche soll Bericht erstattet werden. Die Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz von Ratspräsident Herman van Rompuy ist in der Krisensituation des vergangenen Frühjahrs eingerichtet worden, um zügig Vorschläge für die Reform des Stabilitätspaktes zu erarbeiten, damit sich die griechische Schuldenkrise nicht mehr wiederholt.

Widerstand des Südens

Aber wirklich einigen konnte man sich bisher nur auf einen einzigen Punkt: die Koordinierung der Budgetpolitik durch das sogenannte Europäische Semester vor den Budgetverhandlungen in den nationalen Parlamenten. Die Vorschläge in Richtung einer automatischen Verhängung von Sanktionen für notorische Budgetsünder, die vor allem von Deutschland und anderen nordischen Mitgliedsstaaten erhoben werden, stoßen jedoch auf Widerstand des Südens. Frankreich pocht darauf, dass demokratisch gewählte Regierungen ihren politischen Spielraum nicht verlieren dürfen.

Neues Kriterium Schuldenstand

Auch ein zweiter Kernpunkt der geplanten Verschärfung ist umstritten: die stärkere Berücksichtigung nicht nur der Neuverschuldung eines Staates, die in normalen Zeiten ja drei Prozent des Bruttonationalproduktes nicht überschreiten soll, sondern auch die Höhe des Schuldenstandes insgesamt. Übersteigt der Schuldenstand 60 Prozent der Wirtschaftsleistung, sollen die Staaten nach Vorstellung der Europäischen Kommission zu einem zügigen Abbau angehalten werden, andernfalls würden ebenfalls Sanktionen einsetzen. Dagegen wehrt sich Italien, dessen öffentliche Schulden 116 Prozent des Bruttonationalproduktes ausmachen, weit über dem theoretisch erlaubten Niveau von 6o Prozent. Belgien kommt bei den öffentlichen Schulden auf fast 100 Prozent, für beide Staaten war das aber bisher kein Problem. In Italien ist zwar die öffentliche Hand überdurchschnittlich verschuldet, dafür aber sind die Schulden derprivaten Haushalte sehr gering. Das sind Faktoren, die nach Ansicht der Regierung in Rom ebenfalls berücksichtigt werden müssen.

Pröll unabkömmlich

Keine einfache Diskussion für die Finanzminister. Erschwert wird ein Kompromiss, weil Frankreich und Deutschland, die beiden wichtigsten EU-Länder, in der Frage strengerer Schuldenregeln weit auseinander gehende Positionen vertreten. Österreich ist bei den Verhandlungen in Luxemburg durch den ständigen Vertreter bei der EU, Botschafter Schweisgut vertreten, weil Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) bei den Budgetverhandlungen in Wien unabkömmlich ist.

"Gefahr eines Währungskrieges"

Gesondert treffen sich in Luxemburg heute die Finanzminister der Eurogruppe. Sie müssen damit umgehen, dass der Euro in den letzten Wochen deutlich an Wert gewonnen hat, was die Exporte erschwert und eine wirtschaftliche Erholung behindern könnten. Weil Japan und vor allem auch die USA ihre Währungen unter allen Umständen billiger machen wollen, um die Wirtschaft zu beleben, ist schon von der Gefahr eines Währungskrieges die Rede. Die Europäer, die noch im Frühjahr in dem damals geschwächten Euro das große Problem sahen, müssen sich jetzt wieder Sorgen machen, dass ihre Währung nicht zu stark wird.