Häupl verhandelt mit den Grünen
Rot-Grün in Wien
In der Bundeshauptstadt zeichnet sich eine rot-grüne Koalition ab: Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) hat bekannt gegeben, dass er mit den Grünen Verhandlungen über eine gemeinsame Stadtregierung aufnehmen wird. Die SPÖ hat bei der Gemeinderatswahl ihre absolute Mehrheit verloren und braucht einen Regierungspartner.
8. April 2017, 21:58
MIttagsjournal, 22.10.2010
"Durchaus ein stabiler Faktor"
Häupl hat die Entscheidung am Freitagvormittag in einer Pressekonferenz bekanntgegeben: "Die Leitung meiner Partei hat sich entschossen, das Angebot und die Einladung an die Grünen zu richten, in Koalitionsverhandlungen zu treten." Es gehe nicht darum, der ÖVP Steine nachzuwerfen, aber "wir alle denken, dass die Grünen in vielerlei Hinsicht durchaus ein stabiler Faktor sind", so Häupl.
Keine fixe Zusage
Koalitionsverhandlungen sind deshalb nötig, weil die Sozialdemokraten bei der Wahl am 10. Oktober ihre absolute Mandatsmehrheit eingebüßt haben. Häupl hatte daraufhin angekündigt, sowohl mit den Grünen als auch der ÖVP Sondierungsgespräche zu führen und daraufhin zu entscheiden, mit welcher der beiden Parteien Regierungsverhandlungen aufgenommen werden. Parallelverhandlungen hatte der Bürgermeister ausgeschlossen, die Entscheidung über den Verhandlungspartner sei jedoch - wie er wiederholt betonte - noch keine fixe Koalitionszusage.
Diskussionsthema Verkehr
Der Entscheidung waren zwei Runden von Sondierungsgesprächen der SPÖ sowohl mit der ÖVP als auch den Grünen vorausgegangen. Das alles sei keine fixe Koalitionszusage, sagt Häupl, man sei auf dem Weg, habe das Ziel naturgemäß noch nicht erreicht. Der schwerste Brocken zwischen Rot und Grüne laut Häupl ist der Verkehr: Das habe man schon im Wahlkampf gesehen, aber auch in den gesamten vergangenen zehn Jahren. Aber auch mit der ÖVP gäbe es Diskussionsbedarf, etwa im Bereich Bildung, so Häupl. "Und ich glaube, man wird sich über Straßen leichter einigen können als über Bildung."
Keine Folgen für Bundespolitik
Es habe in der SPÖ eine sehr seriöse, gute Diskussion über Rot-Schwarz oder Rot-Grün gegeben, sagt Häupl. Aber am Ende sei für alle klar gewesen, dass man die Koalitionsgespräche mit den Grünen aufnehmen will. Bundespolitische Folgen sieht Häupl keine, meint Häupl. Schließlich gebe es Schwarz-Grün schon länger in Oberösterreich oder in Graz.
Mehrheit für Rot-Grün?
Ob denn auch die Wiener mehrheitlich Rot-Grün wollen? "Keine Ahnung", sagt Michael Häupl. Laut Umfragen habe die Mehrheit die Absolute der SPÖ nicht gewollt, aber auch keine Koalition. "Da sind die Meinungsumfragen nicht rasend hilfreich, weil irgendwas muss es geben."
Arbeitsgruppen im November
Bis zur dritten Novemberwoche soll ein Stadt-Regierungspakt abgeschlossen sein, dazu wird in acht Arbeitsgruppen verhandelt werden, wobei Häupl die Bereiche Wien und EU sowie Sicherheit persönlich verhandeln wird. Über Personelles, also Namen und Ressortverteilungen, soll erst zum Schluss gesprochen werden.
"Programm, auf das man stolz sein kann"
Die Parteichefin der Wiener Grünen, Maria Vassilakou, im Mittagsjournal am 22.10.2010
Grüne: Bildung und Integration
Die grüne Wiener Parteichefin Maria Vassilakou erklärte vor der Presse, was sie sich für Wien vorstellt: Einen Schwerpunkt im Bildungsbereich will sie unbedingt setzen, darüber hinaus natürlich Umweltschutz und Integration in den Vordergrund stellen. Ressortwünsche meldet sie aber noch nicht an, außer dass sie "selbstverständlich" Vizebürgermeisterin werden möchte. Die Rolle des grünen Zugpferdes Alexander van der Bellen in einer künftigen Wiener Stadtregierung bzw. -verwaltung ist noch nicht geklärt. Vassilakou gab sich zuversichtlich, dass es zu einem guten Programm kommen werde.
ÖVP: "Gefährliche" Entwickung
Nicht sehr erfreut zeigt sich naturgemäß die ÖVP über die Koalitionsgespräche zwischen Rot und Grün in Wien. Diese hätten zwar keine Auswirkungen auf die Arbeit der Koalition auf Bundesebene. Am Rande der Regierungsklausur zeigten sich hochrangige ÖVP-Vertreter aber vor allem skeptisch darüber, ob so ein weiteres Erstarken der FPÖ verhindert werden kann. ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf glaubt gar, "dass es gefährlich ist". Wenn die Stadtregierung weiter nach links rücke, werde das für die FPÖ noch mehr Platz lassen, so Kopf.
MIttagsjournal, 22.10.2010
Herausforderungen Strache und Gemeindebau
Skeptisch zeigt sich auch ÖVP-Chef Josef Pröll: "Das muss sich die Sozialdemokratie fragen, wie sie mit den Grünen den Gemeindebau zurückgewinnen will und vor allem mit FPÖ-Chef Strache die Auseinandersetzung pflegen will." In Oberösterreich sei Schwarz-Grün erfolgreich, die rot-grüne Zusammenarbeit in Wien werde man dann beurteilen müssen. Umweltminister Nikolaus Berlakovich spricht von einem Experiment in Wien. Aber das müsse die SPÖ selbst entscheiden.
Übersicht
- Wien-Wahl 2010