Details bis Dezember
EU-Gipfel: Vertragsänderung zur Euro-Absicherung
Eine geringfügige Änderung des Lissabon-Vertrags soll den Krisenmechanismus für die Eurozone auch nach 2013 absichern. Darauf haben sich die Staats- und Regierungschefs in Brüssel geeinigt. Bis zum nächsten EU-Gipfel im Dezember sollen entsprechende Vorschläge ausgearbeitet werden.
8. April 2017, 21:58
Abendjournal, 29.10.2010
Kein Entzug des Stimmrechts
Die in der Finanzkrise unter Druck gekommene europäische Gemeinschaftswährung soll nun durch einen permanenten Krisenbewältigungsmechanismus abgesichert werden. Die EU-Staats- und Regierungschefs einigten sich in der Nacht auf Donnerstag in Brüssel auf eine entsprechende "begrenzte" EU-Vertragsänderung, die bereits beim nächsten EU-Gipfel im Dezember beschlossen werden soll. Die umstrittene Forderung Deutschlands nach einem Stimmrechtsentzug für Defizitsünder ist dabei jedoch offenbar vom Tisch.
"Das wird nicht Teil der begrenzten Vertragsänderung sein", sagte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso zum Abschluss des Gipfels am Freitag. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Euro-Gruppe und luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker. Das Thema einer Aussetzung von Stimmrechten als ultimative Sanktion für Staaten, die gegen die EU-Budgetdisziplin verstoßen, sei auf die lange Bank geschoben worden.
Faymann kritisiert Berlin
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sagte jedoch, er habe ein klares Mandat vom EU-Gipfel erhalten, wonach er diese Frage untersuchen soll. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte, die Frage eines Stimmrechtsentzugs für Defizitsünder bleibe "weiter auf der Tagesordnung". Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) kritisierte diese deutsche Forderung jedoch als "unvorstellbar und unsinnig". Es gebe genügend andere Eingriffsmöglichkeiten bei ausufernder Schuldenentwicklung, "da braucht man niemandem mit der politischen Keule drohen". Lediglich "vier bis sechs" Staaten seien für den deutschen Vorstoß gewesen.
Ersetzt den Schutzschirm
Der dauerhafte Euro-Schutzschirm soll den 750 Milliarden Euro teuren Mechanismus von EU und IWF ersetzen, der nach der Griechenland-Krise vereinbart wurde. Er läuft jedoch im Jahr 2013 aus. Deswegen vereinbarte der EU-Gipfel, dass die Rechtsgrundlage für einen noch auszugestaltenden permanenten Krisenbewältigungsmechanismus bis spätestens Mitte 2013 ratifiziert werden soll. Unklar ist jedoch weiterhin, wie der Rettungsschirm genau aussehen soll. Dies sei eine sehr technische Angelegenheit, sagten Barroso und Van Rompuy. So sei etwa über den Zinssatz für die Hilfsgelder überhaupt nicht gesprochen worden.
Politiker zufrieden
Generell zeigten sich die EU-Spitzenpolitiker zufrieden. "Der Europäische Rat hat einen soliden Pakt geschaffen, um den Euro zu stärken", sagte Van Rompuy. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sprach von einem "Quantensprung" im Bereich der Währungsunion. Sie verwies auf die im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgesehenen Sanktionen, die künftig "quasi automatisch" zum Tragen kommen werden. Die EU habe mit ihren jüngsten Beschlüssen alles getan, "damit eine solche Krise nicht wieder kommt, dass eine solche Krise nicht wieder allein von den Steuerzahlern getragen werden muss und damit unser Geld, der Euro, wieder sicherer wird".
Bedenken äußerte allerdings EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Er habe die Mitgliedstaaten gewarnt, dass die Verhandlungen über den Krisenmechanismus neue Unruhe an den Finanzmärkten auslösen könnten, sagte ein EU-Diplomat am Freitag am Rande des EU-Gipfels. Auch habe er sich skeptisch zu einer möglichen Beteiligung privater Gläubiger am Rettungsschirm geäußert.
Volksabstimmungen umgehen
Unklar ist noch, wie die Vertragsänderung umgesetzt werden soll. Diplomaten zufolge könnte sie im Rahmen des EU-Beitrittsvertrags von Kroatien durch die Parlamente der 27 EU-Staaten ratifiziert werden. Jedenfalls soll die Lösung dergestalt sein, dass Irland keine Volksabstimmung darüber durchführen muss. Für Österreich sagte Faymann, über die nun vereinbarte Vertragsänderung sei auch hierzulande keine Volksabstimmung erforderlich. Anders wäre dies zu beurteilen, wenn bis Dezember andere größere Vertragsänderungen vorgeschlagen würden.
Themen auch: Klima und Budget
Beim Gipfel wurde auch die EU-Position für die Klimakonferenz in Cancun Ende November festgelegt. Die EU will dabei ein Hinausgehen über das 20-Prozent-Ziel zur Reduktion von Treibhausgasemissionen prüfen, ohne die früher ins Auge gefasste Option einer 30-prozentigen Reduzierung zu erwähnen. In Hinblick auf den G-20-Gipfel in Seoul sprachen sich die EU-Chefs lediglich für eine Prüfung der "verschiedenen Optionen zur Besteuerung des Finanzsektors" aus, ohne gleich für eine weltweite Finanztransaktionssteuer Stellung zu beziehen.
Gipfelthema war auch das EU-Budget. Elf EU-Staaten, darunter Österreich, fordern eine maximale Steigerung des EU-Budgets von 2,9 Prozent im kommenden Jahr, während das Europaparlament sechs Prozent verlangt. Auch der nächste EU-Finanzrahmen ab 2014 soll die "Konsolidierungsbemühungen der Mitgliedsstaaten" widerspiegeln, heißt es in einem vom britischen Premier David Cameron und Faymann verfassten Brief an Van Rompuy im Namen der elf Staaten.