Urteil im Dezember

Chodorkowski-Prozess in Endphase

Der zweite Prozess gegen Michail Chodorkowski und seinen Compagnon Platon Lebedew kommt in die Schlussphase. Mit einem Urteil wird im Dezember gerechnet. Der Prozess gilt als politisch motiviert. Der Kreml will damit die bevorstehende Entlassung Chodorkowskis verhindern.

Abendjournal, 01.11.2010

Zur Symbolfigur geworden

Chodorkowski ist in den Jahren seiner Haft zum Symbol für vieles geworden, was in Russland nicht funktioniert. Die Einflussnahme auf Richter gehört da ebenso dazu wie juristische Willkür und politische Gängelung. Würde der immer noch charismatisch wirkende Jukos-Gründer entlassen, er wäre der Frontmann für alle, die mit Putin unzufrieden sind.

Seit 2005 in Haft

Im ersten Prozess wurde Michail Chodorkowski 2005 zu acht Jahren Haft wegen schweren Betrugs und anderer Delikte verurteilt. Die Untersuchungshaft eingerechnet, müsste er also im nächsten Jahr freigelassen werden. Damit das nicht passiert, wurde im vergangenen Jahr ein zweiter Prozess begonnen: Diesmal geht es um Millionen Tonnen Erdöl, die Chodorkowski angeblich unterschlagen hat. Chodorkowski hat diese Vorwürfe in seiner Schlusserklärung zurückgewiesen. Die Staatsanwaltschaft blieb unbeeindruckt und forderte 14 Jahre Haft.

Keine Zeugen und Gutachter

Das Urteil wird nun für Dezember erwartet. Chodorkowski will den drohenden Schuldspruch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anfechten. Der Richter habe sich geweigert, so die Anwälte Chodorkowskis, die Zeugen und Gutachter der Verteidigung auch nur anzuhören.
Der Fall gilt als politisch brisant. Wladimir Putin betrachtet Chodorkowski offenbar immer noch als seinen politischen Gegner. Für Präsident Medwedjews Saubermann-Image stellt der Fall die Frage, wie weit es ihm mit seinen Appellen an Rechtsstaatlichkeit und Gesetzestreue ernst ist. Folgt der Richter den Forderungen der Anklage, könnte Chodorkowski unter Anrechnung der bisherigen Haftzeit frühestens 2012 aus dem Gefängnis entlassen werden.