Politologe: Verunsicherung am rechten Rand
"Obamas Erfolge reichen nicht"
US-Präsident Barack Obama habe eine äußerst erfolgreiche Politik betrieben, sagt der Politologe Michael Werz. Dass Obamas Demokraten die Wahl dennoch verlieren dürften, führt Werz auf eine nahezu traditionelle Gegenbewegung, aber auch auf eine äußerst schwierige politische Lage in den USA zurück.
8. April 2017, 21:58
"Demokraten werden über Gebühr bestraft"
Der Politologe Michael Werz im Mittagsjournal-Gespräch am 02.11.2010 mit
"Die Stimmung ist mies"
Die Midterm-Elections in den USA seien traditionell eine Gegenbewegung, sagt der Politologe Michael Werz im Ö1-Mittagsjournal-Gespräch. Es sei auch bei Ronald Reagan und Bill Clinton so gewesen, dass es eine Änderung der Machtverhältnisse gegeben habe. Außerdem hätten die Demokraten mit Mehrheiten in Repräsentantenhaus und Senat sowie dem Präsidentenamt eine seltene Machtfülle. "Aber die Stimmung ist mies, und man kann davon ausgehen, dass die Demokraten von den Wählerinnen und Wählern über Gebühr bestraft werden."
Angst um Arbeitsplätze
Die Fakten spielen da keine Rolle: Werz hebt hervor, eine Expertengruppe habe festgestellt, dass das Reformpaket Obamas nach den Wahlen neun Millionen Arbeitsplätze gerettet und die Weltwirtschaft vor einer Depression bewahrt habe. Aber das mache eben jenen 15 Millionen Arbeitslosen oder jenen, die um ihren Arbeitsplatz fürchten, keinen Mut. Auch die Gesundheitsreform Obamas sei ein Meilenstein und ein historischer Erfolg, der schon von vielen progressiven Präsidenten vor Obama angestrebt worden sei.
"Sehr schwieriges Umfeld"
Gemessen an gewöhnlichen politischen Kriterien und an Amtszeiten anderer Präsidenten seien die ersten beiden Jahre von Präsident Obama außergewöhnlich gut und erfolgreich gewesen. Dennoch reiche das nicht aus, sagt Werz. Dass die USA nicht mehr die wirtschaftliche und politische Rolle in der Welt hat wie vor zehn oder 15 Jahren, führe zu sehr viel Verunsicherung in der Bevölkerung. Das kulminiere nun in teils lautstarken Bewegungen wie der Tea Party. "Das ist ein sehr schwieriges politisches Umfeld für Barack Obama."
"Energie vom Rechten Rand"
Die Republikaner setzen hingegen ihrerseits auf eine riskante Strategie: Sie versuchten nun, die "Energie am rechten Rand" für sich zu vereinnahmen. Doch die Vertreter der Tea Party seien, wie Werz sich vorsichtig ausdrückt, "farbige Charaktere", die nun in das Repräsentantenhaus oder auch den Senat gewählt werden könnten. So habe der Kandidat von Alaska neuerlich gefordert, sich an der Berliner Mauer ein Beispiel zu nehmen, um sich von Mexiko abzuschotten. Andere meinten, der Klimawandel existiere gar nicht. Wieder andere wollten die Sozialversicherung oder die Vereinten Nationen abschaffen. Das Problem für die Republikaner, so Werz: Bei der nächsten Präsidentenwahl 2012 müssten sie wieder die Mitte für sich gewinnen. Und es gebe derzeit niemanden, der die verschiedenen Strömungen integrieren könne.
Obama muss Strategie wechseln
Wenn nun die Republikaner tatsächlich erstarken, werde das für das Weiße Haus einen Strategiewechsel bedeuten, sagt der Politologe. Das Modell dafür sei die erste Amtszeit der Ära Clinton. Der Präsident habe weitreichende Möglichkeiten, mit Dekreten und Bestimmungen Akzente zu setzen. Obama werde das tun, weniger Zeit im Kongress verbringen und mehr mit der amerikanischen Bevölkerung kommunizieren. Das sei auch für Clinton eine erfolgreiche Strategie gewesen. Zusätzlich werde Obama schärfer gegen die fehlende Kompromissbereitschaft der Opposition auftreten müssen. "Aber das wird er in den kommenden Monate lernen können", sagt Werz.
Michael Werz arbeitet an der Georgetown Universität und beim German Marshall Fund in Washington und beschäftigt sich seit Jahren mit amerikanischer und internationaler Politik.
Gesammelter Protest
Die Tea Party ist ein entscheidender Faktor im Wahlkampf vor den Midterm Elections gewesen - eine "grassroots" Sammelbewegung hunderter kleiner Gruppierungen im ganzen Land. Obwohl gemeinsame Führung und einheitliches Programm fehlen, hat die Tea Party eine unglaubliche Aufbruchsstimmung im republikanischen Lager erzeugt.
Mittagsjournal-Reportage, 02.11.2010
Tim Cupal war beim Teaparty-Wahlkampfabschluss in Wilmington im US Bundesstaat Delaware dabei.
Zwei Jahre Präsident Obama
Nach George W. Bush sehnte sich die Bevölkerung nach Optimismus. Doch die Begeisterung für den neuen Präsidenten ist in den USA nach zwei Jahren verflogen. Nun ist es Barack Obama, den die Bevölkerung für das ausufernde Defizit und die hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich macht.
Service
Rückblick auf die bisherige Amtsführung Obamas
Mittagsjournal, 02.11.2010