Robert Schindels Theaterstück zu den NS-Pogromen

Dunkelstein - eine Realfarce

Der Dichter und Prosaautor Schindel hat im Auftrag des Wiener Volkstheaters ein Stück zum Jahrestag der NS-Novemberpogrome geschrieben. Dort wird es aber vorerst nicht aufgeführt, das Theater sucht noch einen Kooperationspartner. Soeben ist "Dunkelstein" als Lesedrama im Haymon-Verlag erschienen.

Kulturjournal, 09.11.2010

Dorothee Frank im Gespräch mit Robert Schindel

War Murmelstein ein Kollaborateur?

Robert Schindel ist als Kleinstkind der Ermordung durch die Nationalsozialisten entgangen. In "Dunkelstein - eine Realfarce" kontrastiert er den Holocaust mit einer Form von Komik, die die Abscheulichkeit der Taten noch deutlicher bewusst macht. In dem Stück wird ein Hollywoodfilm über die Massenvernichtung gedreht, samt Komparsen in KZ-Kluft. Zwei dieser Komparsen sind tatsächliche Überlebende.

Während der langen Wartezeiten am Dreh versetzen sie sich und die Leser zurück in die Zeit um 1938. In quasi filmischen Rückblenden erfährt man die Geschichte eines gewissen Saul Dunkelstein. Die Figur ähnelt frappant dem Rabbiner Benjamin Murmelstein, der in Wien von den Nazis als leitender Funktionär der Kultusgemeinde installiert wurde. Murmelstein, ein so gelehrter wie schlauer Mensch, betrieb in Kooperation mit den Nazis zuerst die Massenauswanderung jüdischer Bürger; später half er aber auch bei der Abwicklung der Deportationen.

Viele betrachten bis heute Murmelstein als Kollaborateur, Schindel teilt diese Ansicht nicht: "Der Stand der Wissenschaft ist, dass er kein Täter war. Ruth Klüger hat mir in einem Mail unlängst geschrieben, nachdem sie Dunkelstein gelesen hat, man hat gar keine Vorstellung, wie verhasst Dunkelstein war. Dennoch hat er vielen das Leben gerettet."

Wenn Ängste instrumentalisiert werden

"Dunkelstein" eignet sich sehr gut auch als packendes Lesedrama. Die Szenen, als man Juden zum Straßenwaschen zwang, werden so lebhaft vergegenwärtigt, dass man sich mitten drin glaubt. Es waren Menschen wie du und ich, auch Hausmeister und Passanten, die sich damals mit ärgster Brutalität über Mitmenschen hermachten.

Es seien immer und überall die gleichen massenpsychologischen Voraussetzungen, die so etwas ermöglichen: "Unsicherheit, Angst abzusteigen, wirtschaftliche Not, Angst vor wirtschaftlicher Not, und entsprechende Lautsprecher, also Personen, die diese Angst verstärken - das, was man heutzutage Populisten oder Rechtspopulisten nennt", so Schindel.

Wenn eine Mehrheit sich bedroht fühlt, dann geht es gegen die Sündenböcke, sagt Robert Schindel. Diese Gruppe der "Anderen" wird dann nicht mehr als vollwertige Menschen betrachtet, man gesteht ihr nicht die gute Behandlung zugestanden wird, die man sich selbst wünscht. Um dieser gefährlichen Entwicklung entgegenzuwirken, schlägt Schindel als Verhaltensregel für alle etwas vor, was er Rechtsgehorsam nennt - im Unterschied zu Obrigkeitsgehorsam.

Mittagsjournal, 09.10.2011

Rechtsgehorsam als Verhaltensrichtline für alle

"Einerseits ist von uns zu verlangen, von der Mehrheitsbevölkerung, dass sie die Menschenrechte auch der Migranten genauso respektiert, als auch dass die Migranten die Rechte und die Gesetze des Landes, wo sie eingereist sind, respektieren. Das ist das, was man Rechtsgehorsam nennt. Das heißt, sogenannte mitgebrachte kulturelle Gewohnheiten, die mit den Gesetzen nicht in Einklang zu bringen sind, können dann auch hier nicht ausgelebt werden."

Wobei Schindel betont, dass Migranten gegenüber der Mehrheitsgesellschaft die schwächere Position haben und daher stärker schutzbedürftig seien.

Unterminierung der Menschenrechte hierzulande

Rechtsgehorsam - das könne so lange eingefordert werden, als die Gesetze weitgehend mit den Menschenrechten übereinstimmten: "Das ist in den westlichen Demokratien mehr oder weniger noch der Fall, auch wenn die Unterminierungen immer mehr zunehmen - wir sehen ja, wie die Innenministerin teilweise wegschaut, wenn bestehende Gesetze von der Fremdenpolizei und den Behörden gar nicht eingehalten werden, und grade Österreich sollte es notwendig haben, eine gerechte und faire Gesetzgebung gegenüber Zuwanderern und Asylanten durchzuführen angesichts der Tatsache, dass die Väter und Großväter in großer Mehrheit billigend in Kauf genommen haben, dass Österreicher jüdischer Herkunft vertrieben oder auch vernichtet wurden".

Service

Robert Schindel, "Dunkelstein", Haymon Verlag

Robert Schindel