Gefährdete Annäherung

Russland und die NATO

Obwohl Russland kein NATO-Mitglied ist, wird Präsident Medwedew beim Gipfel in Lissabon erwartet. Moskau sorgt sich, dass die Ratifizierung des neuen Start-Vertrages mit Washington am Widerstand der US-Republikaner vorerst scheitert. Damit wäre das Herzstück des Neubeginns in den russisch-amerikanischen Beziehungen gefährdet.

Mittagsjournal, 19.11.2010

"Neubeginn bleibt erhalten"

Die Enttäuschung über die Start-Unsicherheit kann auf die Gespräche in Lissabon durchschlagen. Für Russland stehen nun zwei Themen im Mittelpunkt: die Raketenschildpläne der NATO und die russische Unterstützung für die NATO in Afghanistan. Dmitri Trenin, Direktor des Moskauer Carnegie-Instituts sieht die Lage so: "Der Neubeginn der russisch-amerikanischen Beziehungen wird erhalten bleiben. Es zeigen sich jetzt nur die Grenzen. Wir wissen nun, was für den amerikanischen Präsidenten möglich ist und was nicht. Der neue Start-Vertrag war ein Symbol für den Neubeginn, aber nicht der wichtigste Inhalt. Entscheidend bleibt der Verzicht der USA auf das, was Russland als antirussische Politik auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion bezeichnet hat. In Georgien und in der Ukraine. Und der Verzicht auf den Raketenschild, so wie er von der Bush-Administration geplant war."

Gleichberechtigt mit NATO

Inzwischen ist aus den amerikanischen Raketenschildplänen ein Projekt der NATO geworden und Russland ist vom NATO-Generalsekretär auch ausdrücklich dazu eingeladen worden, sich zu beteiligen. Dmitri Trenin: "Für Russland ist entscheidend, dass hier ein System der gleichberechtigten Mitwirkung gefunden wird. Russland kann nicht Teil eines fremden Sicherheitssystems werden, sondern Russland arbeitet auf gleicher Ebene wie die Vereinigten Staaten und die NATO. Da haben allerdings die Skeptiker die besseren Argumente."

Modell Afghanistan-Kooperation

Nach dem sowjetischen Engagement in Afghanistan, das 1989 mit einem Rückzug der sowjetischen Truppen endete, ist an eine direkte militärische Unterstützung durch Russland gar nicht zu denken. Die bisher schon recht erfolgreichen Unterstützungsleistungen für die NATO-Truppen in Afghanistan aber können durchaus noch ausgebaut werden, meint der Herausgeber der außenpolitischen Zeitschrift "Russia in Global Affairs" Fjodor Lukjanow. Zumal es für Russland von allergrößter Bedeutung ist, wie es nach einem Rückzug der NATO in Afghanistan weitergeht: "Hier kann Russland eine aktive Rolle spielen. Ein Abkommen zum Rücktransport der NATO über russisches Territorium zeichnet sich ja schon ab. Hier geht es um Rückzug. Gleichzeitig geht es auch um die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte, um die Zeit danach. Das ist schon die Vorbereitung der nächsten Etappe."

Neue Herausforderungen

Russland und die Allianz wollen nach dem Tiefpunkt im August 2008, dem Einmarsch russischer Truppen in Georgien, ihre Beziehungen wieder normalisieren. Denn gerade Themen, die am Rande konventioneller Sicherheitsvorstellungen angesiedelt sind, wie Internetangriffe, Drogenhandel und Piraterie, verlangen nach einer möglichst breiten internationalen Zusammenarbeit.