Die Geldgeber verordnen Sparpakete
Harte Auflagen für Irland
Dublin will nun doch Hilfe aus dem Schutzschirm annehmen. Die Außenminister diskutieren in Brüssel über das Milliardenpaket. Irland verliert seine Unabhängigkeit und muss auf Druck der Geldgeber drei Bedingungen erfüllen: Einsparungen, Steuererhöhungen und eine Bankenreform. Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny begrüßt die irische Entscheidung.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 22.11.2010
Kein Bargeld, sondern Haftungen
Die Hilfe für Irland war politisch längst nicht so umstritten, wie die Griechenlandrettung im Frühjahr. Die Eurostaaten haben Irland gedrängt, unter den Schutzschirm zu flüchten. Trotzdem versuchen die Staaten zu beruhigen.
Außenminister Michael betont, dass im Zuge des Finanzhilfspakets der Euro-Staaten für Irland noch kein Geld aus Österreich fließen muss: "Wir haben eine gemeinsame Währung, die in ihrem Wert erhalten werden muss. Da sind wir genauso betroffen, wie alle anderen Euro-Staaten. Es fließt ja jetzt kein Geld aus Österreich, sondern es sind Haftungen, die eingegangen werden, die auch nur in einem Fall schlagend werden, wenn alles schief geht."
Proteste in Irland
Die Märkte jubeln über das Hilfspaket, die Menschen in Irland sind wütend. Demonstranten sind vor das Regierungsgebäude gezogen. Ein Mann wurde verletzt. Die Kehrtwende der Regierung wird als "Demütigung" aufgefasst, berichten irische Medien in ihren Onlineausgaben. Denn Irland wird zwar gerettet, das drakonische Sparpaket wird aber alle treffen: Die Hausbesitzer, die auf ihren Schulden sitzen bleiben, Arbeitslose und Pensionisten.
Banken sollen kleiner werden
Denn die irische Regierung muss 15 Milliarden Euro einsparen. Sechs Milliarden davon im ersten Jahr. Und das Sparpaket ist nur eine von drei Auflagen. EU, Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB) verlangen eine Flurbereinigung bei den Banken.
Die Europäische Zentralbank weigert sich praktisch insolvente Banken noch länger künstlich am Leben zu erhalten. Das heißt, einige Banken werden zusperren müssen, einige kleiner werden. Im Visier ist die teilverstaatlichte Allied Irish Bank. Seit Jahresbeginn haben Kunden 13 Milliarden Euro Erspartes abgezogen, das sind 17 Prozent der gesamten Einlagen.
Wird das Casino geschlossen?
Doch so einfach funktioniert eine Abwicklung nicht. Denn europäische Banken hängen mit mehreren hundert Milliarden Euro drinnen. Irland war nämlich einst das Casino Europas. Vieles, was anderswo in Europa von Gesetz oder Bankaufsicht verboten war, war in Irland erlaubt. Deutsche Banken sind nach den Briten die zweitgrößten Gläubiger, beide haben mehr als 200 Milliarden Euro an Krediten in Irland vergeben. Davon knapp die Hälfte an die irischen Banken.
Höhere Unternehmenssteuern
Lutz Raettig, Sprecher der Frankfurter Banken, spricht in der "Frankfurter Allgemeinen" heute aus, was die anderen denken: "Die Forderungen der deutschen Banken an Irland sind wichtig genug, um dem Land zu helfen." Deshalb werden sich auch Großbritannien und Schweden, nicht Mitglieder der Eurozone, an der Hilfsaktion beteiligen.
Großbritannien stellt acht Milliarden Euro zur Verfügung, teilte Finanzminister George Osborne heute in London mit. Nach Angaben von EU-Diplomaten soll das Rettungspaket insgesamt 80 bis 90 Mrd. Euro schwer sein.
Die dritte Auflage betrifft die Unternehmenssteuern. Viele EU-Staaten drängen schon lange darauf, dass Irland seine niedrige Körperschaftssteuer anheben muss. Das wird der Knackpunkt bei den Verhandlungen über das Hilfspaket.
Ansteckungsgefahr gebannt?
Noch ist der Hilfsvertrag nicht unterzeichnet, warnen Analysten schon vor einer kurzen Erholung in der Eurozone. Der deutsche Staatssekretär Werner Hoyer zeigt sich über die Wirkung optimistisch: "Der Schirm ist aufgespannt. Es zeigt sich, wie wichtig es ist, dass wir ihn haben. Ich bin davon überzeugt, dass die Konsolidierungspolitik, die Irland betreibt, den höchsten Respekt verdient."
Die Ansteckungsgefahr für andere Wackelkandidaten wie Spanien oder Portugal sei gebannt. So der Tenor in Brüssel.
"Das Land begibt sich in die Unmündigkeit"
Martin Alioth im Gespräch mit Andrea Maiwald.
Der Anfang vom Ende
Irland holt sich also die Hilfe, die es gar nicht wollte. Die Finanzmärkte beruhigen sich, doch in Dublin ist innenpolitisch der Teufel los. In drei Tagen muss sich die konservative Regierungspartei um Premier Brian Cowen den Parlamentsnachwahlen stellen.
Das wird wohl der Anfang vom Ende des Regierungschefs, glaubt ORF-Irland-Korrespondent Martin Alioth: "Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder er wird von innen gestürzt, von seiner eigenen Partei, die nicht mit ihm an der Spitze in vorgezogene Neuwahlen möchte. Oder er verliert Anfang nächsten Jahres seine parlamentarische Mehrheit und muss so gehen."
Profis an der Macht?
Die Iren werfen dem Premier vor, die Öffentlichkeit getäuscht zu haben. In zwei Wochen feiert Irland seine Unabhängigkeit von Großbritannien und begibt sich gleichzeitig in Abhängigkeit von ganz Europa. In Irland spricht man vom "Ende der ersten Republik".
Das Land begibt sich in die Unmündigkeit und böse Zungen sagen, dass die Briten wohl recht hatten, als sie Jahrhundertelang behaupteten, die Iren seien außer Stande, sich selbst zu verwalten.
Parallel dazu gibt es aber auch ein Gefühl der Erleichterung, dass nun endlich die "Profis" an den Schalthebeln der Macht sitzen. Denn das Vertrauen der irischen Bevölkerung in die eigenen Politiker ist stark gesunken. Und Sparpakete hätte es so oder so gegeben.
"Hysterie ist für Finanzmärkte ein relevanter Faktor."
Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny im Gespräch mit Volker Obermayer.
Irische Staatsanleihen wieder beliebt
Nachdem sich Irland nun doch entschlossen hat, die Hilfe des Internationalen Währungsfonds und der Euro-Staaten sowie von Großbritannien und Schweden zu beantragen, ist das Interesse an irischen Staatsanleihen gestiegen.
Im Windschatten der Papiere haben auch die portugiesischen und spanischen Anleihen angezogen. Analysten gehen allerdings davon aus, dass die Entspannung nur von recht kurzer Dauer sein wird. Sie rechnen damit, dass sich der Blick der Märkte nun auf die Probleme anderer Euro-Länder, insbesondere Portugal, richtet.
Ewald Nowotny, Gouverneur der österreichischen Nationalbank hält die Hilfe für Irland für notwendig und zum Teil überfällig. Die Maßnahmen von Seiten der EU und des IWF seien zielführend, so Nowotny.